Gottes Freude Tag für Tag

Predigt vom 15. Juni 2025; Sprüche 8,22-31; Johannes 16,12-15

Liebe Brüder und Schwestern, kennen wir auch die leichten und fröhlichen Seiten in unserer Gottesbeziehung, in unserem Glauben oder ist alles nur mühsam und beschwer? Die „Weisheit“ im Buch der Sprüche entzückt und begeistert mich. Sie sagt: «8,30b Ich war Gottes Freude Tag für Tag / und spielte vor ihm allezeit.31 Ich spielte auf seinem Erdenrund / und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein.» Verspielt vor Gott auf der Erde zu wirken und gerne bei den Menschen zu leben, ist der Weisheit Sinnen. Diese Bibelstelle ist mir eine Kraft- und Motivations-Geschichte; dies in einer Zeit, da Glauben und Kirche umstritten und fragwürdig geworden sind; gerne kritisiert werden.

Das im Hebräischen ungewöhnliche Verb für «schaffen» in Vers 22 hat eine eigene Bedeutung. Es geht nicht um Veränderung von schon bestehendem, sondern um gänzlich neu schaffen im nicht innerirdischen Sinn. Dieses «schaffen» ist auf Beziehung fokussiert. Vor allen Geschöpfen wurde die Weisheit von Gott geboren und nicht aus Lehm geformt, wie Adam. Gott im Bild der Mutter gebiert ihre Tochter, die Weisheit. Und diese Tochter spielt vor ihrer Mutter und freut sich mit den Menschen zu sein. Welch eine positive und erleichternde Botschaft für uns Menschen im 21. Jahrhundert. Der Weisheit Leichtigkeit und Verspieltheit wünsche ich mir, wünsche ich uns von ganzem Herzen in unserem Leben. Mit Tochter Weisheit können wir behände und beschwingt vorwärtsgehen.

In meinen Ohren erklingt eine weitere Variante des dreifachen Liebesgebotes: Gottesliebe, Nächsten- wie Selbstliebe als Freude an Gott, Freude an den Menschen wie auch Freude an sich selbst. Und ja, wir dürfen ein Evangelium, ein Euangelion, eine frohe Botschaft verkünden, leben und bezeugen. Die verspielte Weisheit kann uns dazu animieren, spielend, tanzend, froh die Freude zu entdecken, zu leben und zu verkünden. Dies im Angesicht Gottes.

Ich war in den letzten Ferien mit einem solchen verspielten Menschen in der Schlucht der Areuse unterwegs. Behände und verspielt tanzte und sprang sie leicht durch den Regen die dunkle Schlucht hinunter. Ja, man hätte unter dem Regenschirm auch eine finstere Mine machen oder sogar zu Hause am Trockenen bleiben können. Oder besser: Singin‘ in the Rain – Wir singen im Regen, wie es das romantische Musical aus den fünfziger Jahren leicht rüberbringt und meine Jugend aufgeheitert hat. What a Glorius Feeling – welch ein grossartiges Gefühl ist der Untertitel!

Doch auch der erdgetränkte Fluss der Areuse kam mir sehr spielerisch und kreativ entgegen. Gewaltig und fein hat sich die Areuse den Weg durch die Schlucht gebahnt. Da wieder ein Wasserfall, dann zwängt sie sich eng durch den Felsen, später wieder ein recht ruhiges breites Fliessen. Gewaltig und behände. Ich wurde beim Wandern an Gottes Tochter «Weisheit» im Buch der Sprüche erinnert. Staunen und Bewegung war meine Antwort auf die Erfahrung. Franz von Assisi sing im Sonnengesang von Schwester Wasser eine Erfahrung, die ich am Neuenburgersee mit ihm teilen konnte: Gelobt bist du, mein Gott, durch Schwester Wasser, gar nützlich ist sie und demütig und kostbar und rein.

Das heutige Tages-Evangelium ist ernster und tröstend: «13 Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in der ganzen Wahrheit leiten.» (Joh 16,13) Gut, es ist hier nicht die verspielte und glückliche Weisheit, sondern der Geist der Wahrheit, der zu uns Menschen kommt. Aber auch er hat eine mutmachende Verheissung: «Der Geist der Wahrheit wird euch in der ganzen Wahrheit leiten.» Wir dürfen im Vertrauen leben, wir dürfen Staunen und froh sein. Und heute begleitet mich besonders das Buch der Sprüche in diesen Sonntag: «8,30b Ich war Gottes Freude Tag für Tag / und spielte vor ihm allezeit.31 Ich spielte auf seinem Erdenrund / und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein.»

Gute Nachricht verkünden

Predigt vom 18. Mai 2025 zu Apostelgeschichte 13

Einleitung: Die Menschen beginnen die Auferstehung Jesu erst nach seinem Tod durch Begegnungen mit dem Auferstandenen zu verstehen. Die vielen Frauen, die ersten Zeuginnen der Auferstehung, gingen vergeblich zum Grab, um Jesu Leichnam zu salben. Das Grab war leer. Langsam bahnen sich Auferstehungs-Erfahrungen ihre Bahn. Das Christentum findet sich.

An den Sonntagen der Osterzeit haben wir nun oft Texte aus der Apostelgeschichte gehört. Die Apostelgeschichte ist das zweite Werk des Lukas, der ein Evangelium und eine nachösterliche Gemeinde-Geschichte geschrieben hat. Zu Beginn des 13. Kapitels der Apostelgeschichte hörten wir, wie Barnabas und Paulus von der Gemeinde ausgeschickt worden sind:

1 Es waren aber in Antiochia in der Gemeinde Propheten und Lehrer, nämlich Barnabas und Simeon, genannt Niger, und Luzius von Kyrene und Manaën, der mit dem Landesfürsten Herodes erzogen worden war, und Saulus. 2 Als sie aber Gottesdienst hielten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Sondert mir Barnabas und Saulus zu dem Werk aus, zu dem ich sie berufen habe. 3 Da fasteten sie und beteten und legten ihnen die Hände auf und ließen sie ziehen.

Die heutige Lesung der Apostelgeschichte (14,21b-27) ist der Abschlussbericht dieser ersten grossen Missionsreise des Barnabas und des Paulus von Antiochia aus. Dieser Bericht beschönigt nichts und vermittelt Zuversicht. Ich denke, dass die Erfahrungen von Barnabas und Paulus uns heute noch begleiten und bereichern. Wer eine so herausfordernde Tätigkeit ausüben kann wie diese beiden Verkündiger, darf sich glücklich schätzen, von einer Gemeinschaft getragen zu werden, die einen unterstützt, mit der man das Geschehene teilen und in der man sich auch erholen kann. Das gilt auch für uns, wie für Papst Leo XIV.

Predigt: Liebe Auferstehungs-Gläubige

Die Gute Nachricht zu verkünden, das war vor zweitausend Jahren nicht einfach und scheint nach den Worten von Papst Leo XIV. auch heute noch eine knifflige Aufgabe und grosse Herausforderung zu sein. Heute ist es vielleicht in unserer Gesellschaft nicht mehr so gefährlich wie bei Paulus, der bei seiner Verkündigung sogar eine Steinigung überlebt hat. Christliche Märtyrer und Märtyrerinnen gibt es aber auch heute auf der Welt, zum Glück nicht mehr in Europa. Was können nach Barnabas und Paulus Herausforderungen sein für Verkündiger:innen der Guten Nachricht?

  1. In Lystra wurden Barnabas und Paulus zuerst als inkarnierte Götter gesehen. Ihr heilsames Handeln brachte die Leute auf falsche Fährten. Auch Kapuziner wurde früher nachgesagt, sie könnten mehr als andere Menschen. Da kann ich sie, liebe Menschen beruhigen, wir können nicht mehr als beten und hoffentlich christlich Handeln. Und da war mir Papst Franziskus lieb, der sich selbst als Sünder und nicht als Gott sah. Ein heilsames und selbstkritisches Leben führen ist die Herausforderung.
  2. Barnabas und Paulus fanden nicht nur Freunde und Zuspruch. Manchmal mussten sie grosse Ablehnung und Verfolgung erfahren! Sie versteiften sich nicht mit ihrer Botschaft, räumten das Feld und kamen später wieder – und beim zweiten Mal hatten sie manchmal mehr Erfolg. Es braucht oft Geduld, Entwicklung und vielleicht auch den richtigen Augenblick, den Kairos. Auch heute müssen wir ab und zu Geduld haben und mehrere Anläufe wagen – auch wenn das in einer schnelllebigen Zeit oft sehr schwerfällt. Barnabas und Paulus hatten nicht bei allen Menschen Erfolg – oft waren Gläubige die grossen Widersacher der beiden.
  3. Heute sind viele versucht ihr eigenes Ding zu drehen: «Ich weiss es besser.» Interessanterweise werden Barnabas und Paulus vom Heiligen Geist aus einer Gemeinde ausgewählt. Es hätte mit «Simeon, genannt Niger, und Luzius von Kyrene und Manaën, der mit dem Landesfürsten Herodes erzogen worden war,» auch noch andere Kandidaten für die Mission gegeben. Ausgesendet werden nur Barnabas und Paulus. Die Gründe weiss der Heilige Geist und die Gemeinde. Doch scheint mir das auch heute noch wichtig zu sein. Der Heilige Geist und die Gemeinschaft, bei der Papstwahl, der Heilige Geist und die Kardinäle müssen wählen und beauftragen. Heute habe ich manchmal den Eindruck, dass alle für den kirchlichen Dienst genommen und gesendet werden. Wenn sie nur wollen. Die Krise mit den Machtmissbräuchen ist ein deutliches Zeichen dafür. Ich hoffe, dass die versprochenen besseren Abklärungen der Bischöfe und Ordensoberen künftig nicht nur ein Lippenbekenntnis sind. In der Vergangenheit wurden viele zu schnell geweiht oder in die Orden aufgenommen. Und heute?

Zusammengefasst nehme ich drei Lehren aus der Apostelgeschichte:

  1. Christliches Verkündigen muss überdacht und selbstkritisch sein. Nicht alle Verkündigung dient dem Reich Gottes. Dabei muss primär von der Wirkung her gedacht werden. Die gute Absicht der Verkündigenden reicht nicht.
  2. Die Wirkung der Verkündigung braucht Zeit, Wiederholung und den richtigen Moment.
  3. Die Gemeinschaft übernimmt Verantwortung bei der Auswahl geeigneter Kandidaten und Kandidatinnen. Der Geist und die Gemeinschaft beruft, nicht der Kandidat, die Kandidatin.

Heute hörten wir einen runden und hoffnungsvollen Abschluss dieser ersten grossen Missionsreise von Barnabas und Paulus: «27 Als sie in Antiochia, wo sie gestartet sind, angekommen waren, riefen sie die Gemeinde zusammen und berichteten alles, was Gott mit ihnen zusammen getan und dass er den Heiden die Tür zum Glauben geöffnet hatte. [28 Und sie blieben noch längere Zeit bei den Jüngern.]»

Es ist Gott, der handelt und wirkt. Das dürfen wir nicht vergessen. Das ist für mich auch eine Hoffnung. Wir Menschen, Christus-Gläubige müssen nicht alles im Griff haben. So freut mich der Vers 28 besonders: «Und sie blieben noch längere Zeit bei den Jüngern.» Auch Zusammensein und Gemeinschaft haben da noch Platz im Volk Gottes. Amen.

Erfahrung: Sehen und Glauben

Osterpredigt vom 20. April 2025; 1 Kor 5,b-8; Joh 20,1-9(-18)

Halleluja, liebe Menschen Sehen und Glauben
Halleluja, Gott, ja, Leben ist anders.
Halleluja, Maria von Mágdala sieht keinen Stein vor dem Grab.
Halleluja, der andere Jünger sieht Leinenbinden und keinen Leichnam im Grab.
Halleluja, Simon Petrus sieht an besonderer Stelle das Schweisstuch zusammengebunden liegen.
Halleluja, der andere Jünger sah und glaubte 2X. Halleluja.
Nein, der andere Jünger weiss nicht, er glaubt.
Nein, die beiden Jünger gehen mal nach Hause. Maria bleibt.
«9 Denn sie hatten noch nicht die Schrift verstanden, dass er von den Toten auferstehen müsse.» (Joh 20)
Halleluja, Maria von Mágdala weint und sieht Engel, sieht Jesus.
Halleluja, Gott, ja, Leben ist anders. Jesus lebt. Halleluja.
Und darin liegt die Herausforderung und das Staunen von Ostern. Der Rahmen des Normalen, des Alltäglichen darf anders gesehen werden. Der Tod ist kein Ende, unsere Realität ist nicht begrenzt. Der Tote lebt. Vielleicht braucht es Schweigen, Gefühle, einen neuen Zugang zur Wirklichkeit. Vielleicht ein Stammeln und Staunen. Ein neuer, anderer Zugang zum Leben, zum Sterben und dann anders, neu Leben, Sehen und Glauben.
Liebe Menschen
Sehen und Glauben. Eine wunderbare, berührende, froh-machende Geschichte aus dem Neuen Testament. Meine Worte sind begrenzt, die Erfahrungen von Maria, Petrus und dem anderen Jünger entgrenzen meinen Vorstellungshintergrund und es bleiben auch mir, Sehen und Glauben. Halleluja, Jesus lebt.
Vor drei Wochen war ich am Vorderrhein am Wandern. Und da stand ich plötzlich vor einer Eselherde und ich staunte. Wir sind hier doch nicht in Italien? Die Esel kamen neugierig auf mich zu und ich schloss sie sofort in mein Herz. Ich sah und glaubte einen ganz besonderen Moment zu erleben. Und ein wunderbares Foto ziert seither meinen Schreibtisch / Desktop – es erinnert mich an einen eigenartigen und besonderen Moment. Eine einzigartige Begegnung mit Eseln. Erklären kann und will diese Erfahrung nicht. Ein Foto spricht für sich selbst, speichert Erinnerung. Es braucht keine Erklärungen oder Rechtfertigungen – wie es auch im Leben immer wieder Gewissheiten gibt, die nicht erklärt werden müssen und auch nicht erklärt werden können. Sehen und Glauben sind hier religiöse Erfahrungen. Sie gelten aus Erfahrung.
Und ähnlich geht es mir mit den Erfahrungen von Maria, Petrus und dem anderen Jünger. Sehen und Glauben. Punkt. Ja, Theolog:innen können noch einiges sagen dazu. Trotzdem, der Höhepunkt der Erzählung liegt im Sehen und Glauben des anderen Jüngers.
Und dieses Sehen und Glauben hat Folgen. Im ersten Korintherbrief (5,7) lesen wir: „Schafft den alten Sauerteig weg, damit ihr neuer Teig seid!» Eingefordert wird Aufrichtigkeit und Wahrheit statt Bosheit und Schlechtigkeit. Das «Sehen und Glauben» von Oster-Erfahrungen hat Folgen für das Leben, für den Alltag – trotz Stammeln und Staunen, Weinen und Vermissen, Nichtwissen.
Ostererfahrungen wollen nicht zerredet, sondern «gesehen und geglaubt» werden. Vielleicht können sie meine Erfahrung mit den Eseln nach-erahnen, vielleicht auch die Grab-Erfahrungen von Maria, von Petrus und vom anderen Jünger. Gewiss haben auch Sie, liebe Oster-Erfahrungs-Menschen, ähnliche Erlebnisse, Gewissheiten, Gipfelerlebnisse, die gesehen und geglaubt werden können, Sie begleiten und bewegen. So oder so bleiben wir bei der Aufrichtigkeit und der Wahrheit, der nachösterlichen Realität. Amen.

Früchte bringen

Predigt vom 23. März 2025; Lk 13,1-9; 1 Kor 1-12

Wir erleben Tragisches in unserem Leben und sehen diese Tage noch viel Schlimmeres in der Welt geschehen. Es gäbe viele Stichworte und Reizworte. Das ist nicht neu – auch wenn wir manchmal den Eindruck haben, in einer ganz speziellen geschichtlichen Phase zu leben. Leid und Tod kannten die Menschen um Jesus von Nazareth, wie auch um Paulus von Tarsus herum, auch. Und wie die Zuhörer und Zuhörerinnen Jesu, so sind es auch nicht wir, die gegenwärtig am meisten Unrecht und Leid selbst erfahren. Wenn ich in die Welt schaue, dann komme ich mir sehr privilegiert vor. Aber: Wie kann ich mit erfahrenem und gesehenem Bösen umgehen? Wie sind sinnlose und belastende Erfahrungen zu deuten?
Das Sonntagsevangelium stellt zuerst einmal fest, dass die Leute, die Ziel des Bösen sind, nicht grössere Sünder sind als wir, und dass wir nicht verschont werden, weil wir bessere Menschen sind oder weil wir Christen und Christinnen sind. Das Böse ist eine eigene und freie Grösse und wirkt, wo es will und wie es will. Die leidtragenden Menschen sind nicht per se schlechtere oder ungläubigere Menschen. Sowohl Jesus von Nazareth wie auch Paulus von Tarsus laden uns jedoch ein, im Angesicht des Bösen, des Verderbens den Blick auf uns selbst zu richten und unser eigenes Tun kritisch zu überdenken. Nach einer gründlichen Selbst-Betrachtung und Selbst-Einschätzung sollen wir einen guten Lebensweg wählen und entsprechend handeln, Früchte bringen.
Und Jesus erzählte ihnen dieses Gleichnis: Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt; und als der Mann kam und nachsah, ob der Feigenbaum Früchte trug, fand er keine. Da sagte der Mann zu seinem Winzer: Siehe, jetzt komme ich schon drei Jahre und sehe nach, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und finde nichts. Hau ihn um! Was soll der Feigenbaum weiter dem Boden seine Kraft nehmen? Der Winzer erwiderte: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er in Zukunft Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen! (Lk 13,6-9)
Das Gleichnis richtet seinen Blick nicht nach aussen, auf die Ungerechtigkeit und Bosheit in der Welt. Betrachtet werden ein konkreter Feigenbaum und seine fehlende Frucht im Garten eines Mannes.
Der Mann stellt fest, dass der Feigenbaum auf fruchtbarem Boden steht. Eigentlich will er diesen ertragslosen Baum umhauen. Doch tritt noch ein zweiter Mensch, ein Winzer, auf: Herr, lass den Feigenbaum dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen.
Mir raten die Predigt eines Paulus von Tarsus und vor allem das Gleichnis vom Feigenbaum eines Jesus von Nazareth, mich mit Blick auf Ungerechtigkeit und Bosheit in der Welt nicht lähmen zu lassen und zu verzweifeln. Fragwürdiges gibt es in Gottes Welt und ist für mich, für uns nicht wirklich erklärbar oder begründbar. Auch gute Menschen kommen unter die Räder, werden getötet oder müssen leiden. Und da kann ich mich auch nicht rühmen, nur weil ich davon verschont wurde. Das Böse kann auch mich völlig unbegründet treffen. Es steht ausserhalb meiner eigenen Verfügbarkeit. Aber es gibt einen Bereich meiner Einfluss-Sphäre; und darin soll ich Früchte bringen. Da darf ich sogar vertrauen, dass mir jemand den Boden bereitet, mir beisteht, zu mir schaut, mir aber auch Zeit gibt – vergleiche den Winzer im Gleichnis. Das ist für mich eine stärkende und hoffnungsvolle Verheissung.
Ich bin für meine Früchte, mein Handeln selbst verantwortlich. Und die Fastenzeit als eine Zeit der Wahl und Neu-Ausrichtung lädt mich ein, den Blick vom allzu fernen, vielleicht blockierenden Begebenheiten zu lösen und mich mit meinem eigenen Leben und meiner Einfluss-Sphäre auseinanderzusetzen. Verantwortlich bin ich zuerst einmal für meine Taten, meine Früchte, mein Handeln und Sein. Bei einem Feigenbaum erwarten wir Feigen, bei einem Apfelbaum Äpfel, und bei Adrian Müller …? Und bei Ihnen …? Ja, mir kommen einige Bereiche in den Sinn. Nicht nur Schlechtes. Da gibt es Früchte in meinem, in unserem Leben – und die sind wichtig.
Ob der Feigenbaum im kommenden Jahr Frucht gebracht hat, das erzählt uns das Gleichnis nicht. Die Erzählung hat einen offenen Schluss und lädt uns ein, unser eigenes Leben zu betrachten, nach unserem eigenen Boden, Umfeld zu schauen und darin fruchtbar zu werden. Ach ja, kennen Sie den mutmachenden Satz: «Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.» Dieser Mut-Satz wird fälschlicherweise Martin Luther zugewiesen, geht aber auf den Propheten Mohammed (570-632) zurück. Der Winzer des Gleichnisses lädt uns immer wieder neu ein, Früchte zu bringen.

Diese Predigt wurde auch im Spital Schwyz gehalten. Einleitung zu Beginn:

Liebe Brüder und Schwestern, wenn ich das heutige Evangelium ernst nehme, dann gibt es mir einige Hinweise für meinen Umgang mit Krankheit und Leiden. Und diese stelle ich gerne an den Beginn dieses Gottesdienstes.
• Grundsätzlich wissen wir nicht, warum wir Böses und Krankheit erleben. Jesus warnt davor, dem Kranken, Sterbenden die Schuld dafür zu geben.
• Über Krankheit sollen wir nicht abstrakt und weltfremd diskutieren, sondern differenziert und sehr fallbezogen.
• Heilung geschieht in langsamen Schritten und kann manchmal Jahre dauern, wenn es überhaupt zur Heilung kommt. Der Ausgang unserer Bemühungen kann offen sein.
• Es gibt Menschen mit Fachwissen, die uns beistehen, die uns helfen können und sich für unsere Heilung einsetzen. Auch da wo andere schon den Kopf in den Sand stecken.

Im Dickicht des Lebens

Predigt zu den Seligpreisungen, Lk 6,17-26

Das heutige Tagesevangelium erinnert mich an Moses. Er stieg auf den Berg und brachte dem Volk die zehn Gebote Gottes; also eine Orientierungsrichtlinie für gutes und gottgefälliges Leben.
Auch Jesus war auf dem Berg in der Gottesbegegnung und kommt mit den zwölf Jüngern in die Ebene. Eine grosse Schar Jünger und viele Menschen versammelten sich um ihn. Jesus trifft sich also in den Niederungen des Alltags mit den Leuten, so würde ich meinen.
Moses brachte zwei Tafeln mit Geboten. Es sind dies Worte und ist zuerst einmal theorielastig. Den Lesenden mit den zehn Geboten gesagt, was sie zu tun werden und was sie zu unterlassen haben.
Jesus von Nazareth ist praktischer veranlagt. Er hat Kraft und bringt Heilung; Heilung von körperlichen und psychischen Krankheiten. Und darin sehe ich auch die erste Aufgabe in unserem Leben der Jesus-Nachfolge. Unsere Kräfte sollen wir für unsere Nächsten einzusetzen, damit sie körperlich und psychisch heil werden, oder zumindest in ihrem Leiden begleitet werden und einigermassen gut leben können. Das gilt für die vielen Menschen aus ganz Judäa und Jerusalem, dem Küstengebiet von Tyrus und Sidon. Auch Schwyz.
Uns für die vielen Menschen in Schwyz und Umgebung heilsam einzusetzen. Darin sehe ich unseren Auftrag als Jünger und Jüngerinnen. Als Ortskirche sind wir hier engagiert. Ich möchte hier primär einmal an die Kirso, die Kirchliche Sozialberatung Innerschwyz erinnern. «Die KIRSO ist eine professionelle Anlauf- und Beratungsstelle für Personen aus der Region Innerschwyz. Menschen in schwierigen Lebenslagen finden hier Beratung, Unterstützung und Begleitung, unabhängig von Religion und ethnischer Zugehörigkeit.» kann man auf der Homepage www.kirso.ch lesen. Und ich weiss, Franz Schuler und Judith Rüegg leisten gute und verantwortungsvolle Arbeit.
Die Antonius-Gelder, die dem Kapuzinerkloster abgegeben werden, gehen an die Kirso, für die Menschen in schwierigen Lebenslagen. Auch unterstützt das Kloster die Arbeitsstelle finanziell und ideell. Bald ist die GV des Vereins «Diakonie Innerschwyz» und ich bin gespannt, wie die soziale Situation in der Innerschwyz aussieht.
Doch Jesus geht noch einen Schritt weiter. Er wendet sich im Lukasevangelium in vier Seligpreisungen und vier Wehe-Rufen an seine Jünger und Jüngerinnen. Seligpreisungen: armutsbetroffen und hungernd bin ich nicht, selten weinend und auch nicht gehasst. Gut, manchmal ist es nicht nur einfach, römisch-katholisch zu sein. Menschen wenden sich ab von der Kirche, die Austrittszahlen sind hoch. Doch haben wir als Kirche, als Jünger und Jüngerinnen in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart einige Fehler gemacht. Da habe ich mich, wir uns als (römisch-katholische) Kirche zu verbessern und allen Menschen Kraft der Heilung zu werden.
Die Weh-Rufe decken wohl eher meinen heutigen Alltag ab. Ja, ich bin reich – gut nicht steinreich – ; ich bin satt – und manchmal übersatt. Nein, ich habe nicht den ganzen Tag zu lachen, auch wenn ich mich als glücklichen Menschen erfahre. Ab und zu darf ich auch ein Lob ernten und das macht mir Freude. Die Option für die Armen ist nicht unbedingt eine Option für Adrian. Nun, ich hoffe nicht gänzlich auf der Strecke zu bleiben.
Jesus macht mich also mit seinen Seligpreisungen und Wehrufen betroffen. Da kann ich mich gewiss nicht gemütlich zurücklehnen und alles ist gut. Ich sehe sie eher als eine Herausforderung, meine Kräfte wahrzunehmen, heilsam einzusetzen und mich aber als Christ immer wieder kritisch zu orientieren und zu hinterfragen:
Bin ich auch für alle Menschen heilsam, körperlich und psychisch?
Bin ich mir bewusst, dass Jesus mit den Seligpreisungen und Weh-Rufen die Welt auf den Kopf stellt. Nicht die Reichen und Satten, die Menschen auf der Sonnenseite und die umgarnten Grossen bekommen seine Aufmerksamkeit und sein Lob. Jesus stellt für uns Jünger und Jüngerinnen Menschen am Rand ins Zentrum. Und warum das? Das Reich Gottes kennt andere Massstäbe als Kapuziner zuerst oder Switzerland first oder Geld regiert die Welt oder der Mensch ist des Menschen Wolf. Nein, heilsam und solidarisch werden wir heute und in Zukunft ins Reich Gottes einziehen – und das wird unsere Freude sein. Die Güte, der Erfolg einer Gemeinschaft, einer Gesellschaft zeigt sich im Umgang mit den Armen, Hungrigen, Traurigen und den Menschen am Rand. Amen.

War bei mir der Geist dabei?

Predigt zu Taufe des Herrn; Apg 10,34-38; Lk 3,15-16.21-22

Eine erste Erfahrung: Letzten November reiste ich ins Kapuziner-Kloster Meran in die Ferien. Im Bus ab Mals setzte sich eine Jesus begeisterte Frau neben mich. Sie besucht wöchentlich eine Christengemeinde und kam schnell auf ihre Geisttaufe zu sprechen. Sie weiss genau, wann und wo sie vom Heiligen Geist getauft wurde, und seither ist sie Christin. Natürlich wollte sie auch von mir wissen, wann und wo ich vom Heiligen Geist getauft worden sei. Darauf habe ich leider keine genaue Antwort. Ich wurde als Säugling getauft und kann mich nicht an meine Taufe erinnern. Meine Eltern tauften mich – und ich bin ihnen heute dankbar für diese Entscheidung. Mit Worten, Wasser und Taufhandlung wurde ich getauft. Natürlich würde ich vermuten, dass der Heilige Geist auch dabei war.
Eine zweite Erfahrung: Letze Woche hörte ich einen Podcast über eine Online-Kirche. Alles geschieht bei ihr online, im Internet. Da gibt es Pfarrer und Pfarrerinnen, die betreiben Seelsorge wie auch die Sakramente im Netz. Auf der Homepage kann man Porträts dieser Pfarrer:innen sehen und einen dazugehörenden Avatar. Auch der Täufling muss sich im virtuellen Raum einen Avatar aussuchen und nach entsprechender Online-Taufkatechese gibt es eine Online-Taufe. Der Journalist fragte natürlich, ob eine solche Taufe theologisch überhaupt möglich sei? «Natürlich,» war die Antwort. «Der Heilige Geist kann wirken, wo er will, auch in einem Online-Room; auch im World Wide Web!» Er weht, wo er will.
Im heutigen Tagesevangelium sagt Johannes der Täufer: «Ich taufe euch mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, … Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.» Und später erzählt dieses Tagesevangelium wie der Heilige Geist auf Jesus herabkam. Jesus bekam nach dem Lukasevangelium eine Wassertaufe, den Heiligen Geist und ein Wort Gottes zugesagt: «Du bist mein geliebter Sohn.» Interessanterweise spricht Petrus in der heutigen Tageslesung der Apostelgeschichte, nicht von Jesu Taufe, sondern: «wie Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft, …»
Für viele christliche Kirchen und Christ:innen heute ist klar, dass man durch die Taufe Christ wird. Ein kleiner Blick in die Religionen: Im Islam wird man ein Gläubiger, indem man die erste Sure (Al-Fatiha – Die Eröffnende) betet und das Gesagte auch entsprechend bekennt. Grundsätzlich wird ein Kind einer jüdischen Mutter jüdisch. Es gibt Möglichkeiten der Konversion zum Judentum.
Aber wie steht es nun mit der Taufe und deren gegenseitigen Anerkennung unter den unterschiedlichen Konfessionen? Wichtig ist mir persönlich die gegenseitige Anerkennung der Taufe von mehreren Kirchen. Zu nennen sind vor allem die Lima-Erklärung (Peru) von 1982 oder die Magdeburger-Erklärung von 2007. In der Magdeburger-Erklärung steht:
Jesus Christus ist unser Heil. Durch ihn hat Gott die Gottesferne des Sünders überwunden (Römer 5,10), um uns zu Söhnen und Töchtern Gottes zu machen. Als Teilhabe am Geheimnis von Christi Tod und Auferstehung bedeutet die Taufe Neugeburt in Jesus Christus. Wer dieses Sakrament empfängt und im Glauben Gottes Liebe bejaht, wird mit Christus und zugleich mit seinem Volk aller Zeiten und Orte vereint. Als ein Zeichen der Einheit aller Christen verbindet die Taufe mit Jesus Christus, dem Fundament dieser Einheit. Trotz Unterschieden im Verständnis von Kirche besteht zwischen uns ein Grundeinverständnis über die Taufe.
Deshalb erkennen wir jede nach dem Auftrag Jesu im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes mit der Zeichenhandlung des Untertauchens im Wasser bzw. des Übergießens mit Wasser vollzogene Taufe an und freuen uns über jeden Menschen, der getauft wird. Diese wechselseitige Anerkennung der Taufe ist Ausdruck des in Jesus Christus gründenden Bandes der Einheit (Epheser 4,4–6). Die so vollzogene Taufe ist einmalig und unwiederholbar.

Dem Text dieser Vereinbarung stimmten zu:
• Römisch-katholische Kirche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz
• Evangelische Kirche in Deutschland
• Orthodoxe Kirche in Deutschland
• Evangelisch-methodistische Kirche
• Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche
• Armenisch-Apostolische Orthodoxe Kirche in Deutschland
• Katholisches Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland
• Äthiopisch-Orthodoxe Kirche in Deutschland
• Evangelisch-altreformierte Kirche in Niedersachsen
• Evangelische Brüder-Unität – Herrnhuter Brüdergemeinde
• Arbeitsgemeinschaft Anglikanisch-Episkopaler Gemeinden in Deutschland
Liebe getaufte Christen und Christinnen, das war nun die kirchen-theologische Sicht auf Taufe und Christsein. Ich selber will niemandem das Christsein absprechen. Und so, wenn mir jemand sagt, er oder sie sei Christ:in, dann ist dem für mich so.
Die Taufe – auch meine eigene Taufe als Säugling – halte ich hoch und sehe darin vor allem die Aufnahme in die Gemeinschaft der römisch-katholische Kirche, verbunden mit anderen Kirchen. Für mein Christsein, vielleicht besser für meine Jesusnachfolge bemühe ich mich jeden Tag wieder neu.
Meine eigene Taufe sagt mir vor allem, dass Gott und meine Familie ja gesagt haben zu mir. Und das ist schön. Und als gefirmter Christ ist mir dabei wichtig, meinen Glauben verantwortungsbewusst zu leben und stets offen für neue göttliche Initiativen zu bleiben.

Gebären und gewahr werden; bewahren und erwägen

Predigt vom 25. Dezember 2024; Lukas 2,15-20

Das eine ist es «Ja» zu sagen, das andere dazu zustehen, es geschehen zu lassen, auch wenn es anders kommt, als frau oder man es vielleicht gedacht und erwartet hat. Solche Erfahrungen prägen das Leben, sei dies als zwischenmenschliche Erfahrung, sei dies als eine Erfahrung des Glaubens-Lebens. Die meisten unter uns haben schon vor Jahren, ja Jahrzehnten zu Menschen «Ja» gesagt, zu Aufgaben und Verpflichtungen «Ja» gesagt. Und immer wieder neu «Ja». Vielleicht hat sich das eine oder andere dieser «Ja» erfüllt, andere vielleicht verlaufen und wiederum andere fordern uns immer noch heraus, belasten uns.
Ein Kapuziner sagt zu einer Gemeinschaft «Ja», zu unterschiedlichen Aufgaben und vor allem zu Menschen. Auch sie, liebe Mitmenschen an der Krippe haben in ihrem Leben zu einigem «Ja» gesagt. Dabei weiss der Mensch zu Beginn oft, vielleicht meistens gar nicht, zu was sie oder er wirklich ja gesagt hat. «Wenn ich alles gewusst hätte, dann …» kann man manchmal hören. Manchmal geht das einem auch still durch den Sinn.
Die junge Frau Maria, eher noch Mädchen (?), hat Gott auch «Ja» gesagt. Gut, eine Klärungsfrage wurde ihr erlaubt, Zacharias wurde eine solche verübelt. Das «Ja» von Maria bedeutete neun Monate Schwangerschaft und dann eine Geburt unter erschwerten äusserlichen Bedingungen. In den vergangenen Tagen ging es in einem Roman, den ich hörte, um Geburts-Erfahrungen von einer Frau samt postnatalen Depression. Diese ist auch in der Schweiz heute keine Seltenheit: «Zwischen 15 und 20% der Frauen (je nach Studie) – demnach bis zu 16’000 pro Jahr – stürzt dieses sogenannt freudige Ereignis in die Krise: Sie erleiden eine postpartale Depression (umgangssprachlich auch oft als postnatale Depression bezeichnet oder als Wochenbettdepression bekannt).» https://postpartale-depression.ch/de/
Ach ja: «Auch Väter können daran erkranken, ca. 10% sind nach der Geburt ihrer Kinder von einer Depression betroffen.» In einem Interview mit einer Geburtshelferin las ich über Komplikationen bei der Geburt. Diese sind nicht zu unterschätzen. Dank einem Kaiserschnitt habe ich selber meine Geburt überlebt. In der freien Natur wäre ich vielleicht tot, vielleicht gar nicht zur Welt gekommen. Meine Nabelschnur hatte ich in meinem Bewegungsdrang um mich geschlungen. Gut, Menschen, die mich als kleinen Knopf kannten, staunen heute, wie ruhig und bedächtig ich geworden bin.
Maria, zu was allem hast du ja gesagt. Das heutige Tagesevangelium erzählt, wie Engel bei den Hirten waren und wieder gegangen sind. Die Hirten eilten darauf zu Maria und Josef und erzählten ihnen, was ihnen von den Engeln verkündet worden ist. «Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen.» Nein, die junge Frau macht kein grosses Aufhebens: «Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen.» Vermutlich hat sie das noch einige Male gemacht, während den 33 Jahren, die sie Jesus von Nazareth im Leben begleitet hat. Auch nach dessen Tod hat sie vermutlich noch viele Worte bewahrt und im Herzen bewogen.
Liebe Mitmenschen an der Krippe, auch wir haben in unserem Leben einige Worte mitbekommen, sie hoffentlich auch bewahrt und erwogen. Worte unserer persönlichen Geschichte mit Menschen und hoffentlich auch mit Gott. Hoffentlich durften wir immer wieder Staunen über das, was das Leben uns geschenkt hat. Vielleicht begleiteten uns ab und zu auch Depressionen und Verzweiflung. Und von Maria kennen wir einige Situationen, da sie wegen ihrem Sohn Jesus gelitten hat. Über allem steht jedoch der lebenspendende Gott und SEIN «JA» zum Geheimnis Leben. Und trotzdem, auch Maria hatte in ungewisser Situation «Ja» gesagt.
Und was mir dieses Jahr wichtig geworden ist an Weihnachten, fand ich im Text «Und Weihnachten geschieht!» von Andrea Schwarz: «Weihnachten kann man nicht machen – Weihnachten geschieht und wird und ist. Weihnachten – das ist das Geschenk Gottes an uns Menschen. Und Weihnachten ist und war und wird sein – egal, ob alle Fenster geputzt sind, wir alle Geschenke haben, die Weihnachtspost erledigt ist, es in den Geschäften keinen Lachs mehr gibt. … – Weihnachten geschieht.» (Aus: Eigentlich ist Weihnachten ganz anders. Hoffnungstexte).
Jahr für Jahr stehen, beten, meditieren wir mit Maria und Josef, den Hirten vor dem Kind in der Krippe. Wir lassen geschehen und erinnern uns an die Botschaft der Engel an die Hirten und deren Worte an Maria und Josef. Es ist dies auch eine Botschaft an uns und wir dürfen staunen, Kraft gewinnen für unser Leben, für unsere «Ja» zum Leben, zu Menschen und zu Gott. Und vielleicht begleitet uns in diesen Tagen der Vierschritt: Gebären und gewahr werden; bewahren und erwägen. Amen

Hörend – mitgehend – handeln

Predigt vom 3. November 2024, Mk 12,28-34; Dtn 6,2-6

«Und es trat zu Jesus einer der Schriftgelehrten, der zugehört hatte, wie Jesus und die Sadduzäer miteinander stritten. Als der Schriftgelehrte sah, dass Jesus den Sadduzäern gut geantwortet hatte, fragte er Jesus: Welches ist das höchste Gebot von allen?» So beginnt der Evangelist Markus das heutige Sonntagsevangelium bei Mk 12,28. Der Schriftgelehrte zeichnet sich durch Zuhören und Aufmerksamkeit aus. Das Streiten der anderen schreckt ihn nicht ab. Im Gegenteil. Darin liegt das gemeinsame Suchen. Gutes, offenes, ja verstehendes Zuhören ist dem Evangelist Markus ein Anliegen. Mehrmals kommt das in seinem Evangelium vor. Beispielsweise der Satz «Wer Ohren hat zu hören, der höre!» (Mk 4,9 und 4,23)
Das gute aufmerksame Hören ist in der jüdischen Spiritualität verankert. In der heutigen Lesung hörten wir das bekannte und wichtige «Schema IsraEL»: «Höre Israel» (Dtn 6,4). Oder einen Satz früher die Aufforderung von Gott an sein Volk: «Deshalb sollst du hören» (Dtn 6,3). Hören meint Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und entsprechendes Handeln. Hören kann verändern. Wer hinhört weiss anschliessend oft mehr als vorher. Hören ist eine Haltung des Interessens, des Lernens und vor allem der Liebe.
Im heutigen Tagesevangelium kommt ein Schriftgelehrter zu Jesus, der hingehört hat und darum etwas von Jesus hören, wissen will. Dies weil er in Jesus von Nazareth Vertrauen und Achtung gefunden hat. Der Schriftgelehrte hat Fragen; er ist offen und empfänglich!
Bei solchen biblischen Texten müssen wir Christen und Christinnen aufpassen. Oft haben wir das Gefühl, dass Pharisäer, Sadduzäer und Schriftgelehrte Jesus nur Fangfragen gestellt haben, um ihn bloss zu stellen und ihn zu bekämpfen. Im heutigen Evangelium kommt der Schriftgelehrte zu Jesus, weil er diesen echt hören will und ihn etwas herumtreibt. Der Schriftgelehrte sucht Dialog und hört hin.
«Welches Gebot ist das erste von allen?» (Mk 8,28) ist die kurze und klare Frage. Der Schriftgelehrte weiss um die jüdischen 613 Gebote und Verbote der Tora. Er kennt die Schrift und gewiss auch das Schema IsraEL. Und der Schriftgelehrte will tiefer gehen und mehr verstehen. Er will seinen Glauben vertiefen. Er ist bereit hinzuhören. Jesus antwortet pointiert.
Der hörende und verstehende Schriftgelehrte denkt mit und weiter. Es geht nicht primär um Brandopfer und andere Opfer, sondern um die Gottes-, Nächsten wie Selbstliebe. Diese Antwort des Fragestellers und Weiterdenkers wird von Jesus kommentiert: «Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und keiner wagte mehr Jesus eine Frage zu stellen» (Mk 12,34).
Mir persönlich gefällt diese Erzählung aus dem Markusevangelium. Da finden zwei Hörende zum Dialog, ergänzen sich und finden zueinander und zu Gott. Sie haben sich gegenseitig bereichert und ihren Glauben genährt. Und auch die Umgebung spürt das und spielt mit. Wenn alles gesagt ist, dann ist Ruhe angesagt und diese wird nicht zerredet und gestört. Manchmal landet man beim gemeinsamen Schweigen vor Gott, auch eine Art Hören auf Gott hin. Da braucht es keine Worte mehr, sondern nur noch ein gemeinsames Hören und Verweilen bei Gott. Der menschlichen Worte waren genug, jetzt darf man gemeinsam auf Gott hören und handeln.
In den letzten Wochen fand der Abschluss eines langen und für viele Menschen intensiven Hörens und Austauschens der Weltkirche statt. Eine synodale Kirche hat auf Gott und auf ihre Getauften gehört. Die in Chur lehrende Theologin Eva Maria Faber meint: Auf der Weltsynode wurde über vieles diskutiert. Der Reformbedarf in der Kirche ist erkannt und wurde offen angesprochen. Umso mehr ist die Kirche in der Schweiz nun gefordert, die «weichen» Formulierungen des Synodendokuments in den konkreten kirchlichen Alltag auszubuchstabieren. Vgl. Redaktion kath.ch vom 28.10.2024.
Die Weltkirche hat nun auf das Leben der Ortskirchen und das Wirken des Geistes gehört und weitergedacht. Nun sind wir, die Kirche von Schwyz, dran auf die Weltkirche und unsere Lebensrealität zu hören und weiterzudenken. Da kann es immer wieder Perioden des gemeinsamen Schweigens und Suchens geben. Doch auch immer wieder neu ein Hören auf Gott, den Geist und seine Schöpfung hin. Und eben auch das richtige Handeln ist nicht zu vergessen. Dazu wünsche ich uns ein offenes Hören, das Schema IsraEL, Achtsamkeit und auch den heiligen Geist, der uns vorwärts treibt auf das Reich Gottes hin. Vielleicht hören wir dann Jesus Christus sagen: Ihr seid nicht fern vom Reich Gottes. Amen.

Solidarität statt Perfektionismus

Predigt vom 13. Oktober 2024, Mk 10, 17-30

Perfektionismus ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das in erster Linie durch sehr hohe Massstäbe, einer Rigidität der Massstäbe und einem leistungs-abhängigen Selbstwert charakterisiert ist, sagt Nils Spitzer. Vgl. Wikipedia, Perfektionismus (Psychologie). Nach meiner Einschätzung sind religiöse Menschen oft moralische Perfektionisten. Auch Franz von Assisi wusste dies und gab Gegensteuer. So ging der Heilige einen Monat auf die Isola Maggiore im Trasimenischen See meditieren und fasten. Doch nahm der Heilige ein Brot mit und begann vor dem Ende des Aufenthalts dieses Brot zu Essen. Dies aus Respekt vor Jesus von Nazareth. Denn Franziskus wollte Jesus mit dem vierzig Tage Fasten den Vortritt lassen. Der Heilige kannte Bescheidenheit in religiösen Dingen. Ein anderer hätte 41 Tage gefastet und sich gerühmt, länger als Jesus gefastet zu haben!

Eine weitere Franziskus-Fastengeschichte erzählt, wie der Heilige mit Brüdern am Fasten war. In der Nacht schrie ein Mitbruder vor Hunger auf. Franziskus hörte den leidenden Mitbruder, stand auf und war der Erste, welcher das Fasten brach und dem leidenden Mitbruder das Brot brach und zum Geniessen aufforderte.

Im heutigen Tagesevangelium (Mk 10,17-30) begegnet Jesus einem Mann, der das ewige Leben will. Dabei baut dieser auf eigene Leistung. Er hält Gottes Gesetze durch und durch. Interessanterweise weist selbst Jesus das Gutsein zurück und verweist auf Gott, der allein gut sei. Gutsein ist keine menschliche Leistung oder Eigenschaft, die man sich durch das Beobachten von Geboten und Vorschriften verdienen kann.

Jesus sieht den Mann verstehend an und umarmt ihn. Jesus attestiert dem Mann, dass er Gottes Gesetze auch wirklich erfüllt hat. Doch um solchen Perfektionismus geht es im religiösen Leben nicht, oder vielleicht auch nicht zuerst. Dem Mann fehlt die Solidarität mit den Menschen, mit den Armen. Das ewige Leben verdient man nicht für sich selbst, sondern in Gemeinschaft mit Menschen, vor allem mit den Menschen am Rande, mit denen die Leiden, mit denen, die nichts haben. Der religiös perfekte Mann geht traurig von Jesus weg. Trotz seinem ethischen Perfektionismus bleibt ihm das ewige Leben verwehrt, vielleicht auch vordergründig verwehrt. Denn eben, Gott kann alles. Wer weiss das schon?

Die Jünger bleiben bei Jesus und sind schockiert. Im Gegensatz zum nun enttäuschten Mann wissen sie, dass sie auch schon versagt haben. Vor allem Petrus wird uns in den Evangelien als kein perfekter Mensch geschildert. Er versteht Jesus nicht immer, vor allem die gefährliche Reise nach Jerusalem nicht. Erinnern wir uns an Markus 8,33: «Jesus aber wandte sich um und sah seine Jünger an und ermahnte den Petrus ernstlich und sprach: Tritt hinter mich, Satan! Denn du denkst nicht göttlich, sondern menschlich!»

Auch im heutigen Tagesevangelium werden wir aufgefordert, denk göttlich und nicht menschlich, lebe Nächstenliebe, Selbstliebe und Gottesliebe. Aber eben das ewige Leben ist und bleibt ein Geschenk Gottes an den Menschen. Da helfen uns weder unsere religiösen und moralischen Leistungen noch unser Geld, unser irdischen Reichtum – und vor allem nicht diese in perfekter Reinkultur. Zuerst geht es einmal um Solidarität und Dankbarkeit.

Und eben, auch das gläubige Leben bringt wunderbare Früchte der Gemeinschaft und der Solidarität: «Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser, Schwestern und Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben.» Mk 10,30

Dazu braucht es keinen Perfektionismus und auch nicht die ihm zugehörige Angst alles richtig zu machen, sondern Freude und Gewissenhaftigkeit – als positiver Begriff an Stelle des Perfektionismus – im Tun. Und vor allem einen liebenden Gott im Himmel, der möglich macht, was uns Menschen unmöglich und vermutlich auch unvorstellbar ist. Amen.

Geheimnis Mensch

Predigt vom 1. September 2024; Mk 7,1-23

Die Habsburger, die ursprünglich aus der Schweiz kommen, kannten eine getrennte Bestattung. Nach dem Tod wurde der Körper vom Herz getrennt und an unterschiedlichen Orten bestattet. Man ging damals davon aus, dass im Herz das Zentrum des Menschen ist und dass im Herz der Ort der menschlichen Identität, sein Willenszentrum liegt. Ohne Herz kein Leben. Deshalb hat man früher vom Herztod gesprochen. Heute ist der Herztod keine verlässliche Todes-Indikation mehr. Wir wissen es anders. Bei Herzoperationen kann das Herz stillgelegt und durch Maschinen ersetzt werden. Später lässt man das Herz wieder arbeiten und das Leben geht weiter. Ein stillstehendes Herz bedeutet nicht mehr den sicheren Tod. Auch können Herzen transplantiert werden, ohne dass das neue Herz seine Identität in den fremden Körper mitnehmen würde. Das Herz gilt nicht mehr als das geheimnisvolle und unbekannte Zentrum des Menschen. Kardiologen und Kardiologinnen haben das Herz als Organ erforscht.

Heute gehen viele Menschen davon aus, dass das Hirn der entscheidende Ort des Menschen ist. Deshalb wurde der Hirntod zu einer Indikation für Leben und Tod. Gibt es im Hirn keine Energie mehr, dann ist der Mensch tot, so sagt diese Vorstellung. Ob dem so ist und wann der Mensch wirklich tot ist, das ist eine schwierige, medizinische und umstrittene Frage. Vor allem bei der Organtransplantation ist diese Einschätzung wichtig. Wann ist der Mensch tot und wann darf man ihm Organe entwenden. Eine knifflige Frage.

Es gibt Menschen, die lassen sich einfrieren und hoffen, eines Tages wieder aufgetaut und zum Leben erweckt zu werden. Und eben, heute gibt es Menschen, die es ähnlich machen wie die Habsburger. Sie lassen den Körper beerdigen und verwesen, aber den Kopf einfrieren und aufbewahren. Das Hirn müsste im neuen Leben reichen, um wieder ins Leben zu kommen. Da sind die wichtigen Daten eines menschlichen Lebens gespeichert, wie auf einer Computer-Festplatte. Der Körper scheint austauschbar, wie in einigen Computerspielen, wo ein Spieler, eine Spielerin mehrere Leben in unterschiedlichen Körpern leben kann. Aber das Gehirn bleibt.

Wenn Jesus im heutigen Tagesevangelium sagt, «von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken» usw., dann hat er die Vorstellung, dass das Herz den Menschen ausmacht. «All dieses Böses kommt von innen und macht den Menschen unrein». Jesus von Nazareth hat vor zwei tausend Jahren gelebt und gewirkt. Dabei hat er sich mit seinen Worten in den damaligen Vorstellungen bewegt, welche nicht mehr unsere sind. Damals war das Herz das Zentrum des Menschen.

Während dem Studium der Erziehungswissenschaften hat einer meiner Psychologie-Professoren Wert daraufgelegt, dass der Mensch auch in der Psychologie ein Geheimnis ist und bleibt. Die Psychologie gibt Hilfen für die Analyse des Menschen und kann manchmal Heilung bewirken. Aber sie belässt auch vieles offen und unbeantwortet. Was den Menschen im innersten ausmacht, das lässt sie offen, das ist und bleibt Geheimnis. Ein anderer Psychologie-Professor meinte jeweils, dass diese Frage von den Theologen und Theologinnen beantwortet werden müsste. Für uns Christen und Christinnen ist Gott ein Geheimnis – und sein Ebenbild, der Mensch ist und bleibt auch ein Geheimnis, Gottes Geheimnis.

Aber wie Jesus, kann die Psychologie einiges zu «bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifungen, Neid, Lästerung, Hochmut und Unvernunft» sagen. Doch lässt sich auch hier kritisieren: Ihr gebt die Wahrheit (Gottes Gebot) preis und haltet euch an die Theorien (Überlieferung) früherer Zeiten und vergangener psychologischer Grössen. Auch heute müssen wir uns wie vor zweitausend Jahren fragen, was trägt noch und was ist bloss Augenwischerei vergangener Zeiten. Was sind die Themen unserer Zeit?

Nicht Äusserlichkeiten sagt Jesus. Ich würde in heutiger Sprache sagen, der Mensch ist keine Maschine, sondern ein Geheimnis, das entscheidungsfähig ist, das oft zwischen gut und böse unterscheiden muss, auch wenn es manchmal Zeit braucht und Geduld, die Wahrheit und die echten Lösungen zu ergründen. Und auch heute sind wir Menschen aufgefordert rein zu sein, vielleicht in unserer Sprache gesagt, integer, vertrauens- und glaubwürdig, authentisch und wahr; konstruktiv und mit Verantwortung für unsere Nächsten wie für uns selbst.

Ab dem ersten September, heute also, rufen die Kirchen zur Schöpfungszeit auf, die bis zum vierten Oktober, dem Franziskustag, dauert. Auch heute geht es um die zwischenmenschliche Verantwortung, wie sie Jesus von Nazareth im Tagesevangelium einfordert. Doch für uns Menschen heute kommen neue Themen und Sorgen hinzu. Wir haben plötzlich eine enorme Verantwortung für die Natur, Tiere und Pflanzen, für die ganze Erde in unseren Händen. Wir haben diesbezüglich eine enorme Kraft, auch Zerstörungsmacht entwickelt. Das ergibt eine neue Verantwortungen für unser persönliches, wie für unser christliches als auch gesellschaftliches Leben.

Wir sind gefordert uns für das Leben, für die Schöpfung Gottes stark zu machen. Dabei müssen wir – wie Jesus die Pharisäer und Schriftgelehrten auffordert – stets neu ergründen, was Gottes Wille sei. Oftmals tragen alte Antworten nicht mehr. Zu dieser Suche und immer wieder neu entdecken, wünsche ich uns Fantasie, die richtigen Ideen und gute Absichten; aber auch Freude mit Gott an seinem Schöpfungswerk teilzuhaben.