Gottes Freude Tag für Tag

Predigt vom 15. Juni 2025; Sprüche 8,22-31; Johannes 16,12-15

Liebe Brüder und Schwestern, kennen wir auch die leichten und fröhlichen Seiten in unserer Gottesbeziehung, in unserem Glauben oder ist alles nur mühsam und beschwer? Die „Weisheit“ im Buch der Sprüche entzückt und begeistert mich. Sie sagt: «8,30b Ich war Gottes Freude Tag für Tag / und spielte vor ihm allezeit.31 Ich spielte auf seinem Erdenrund / und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein.» Verspielt vor Gott auf der Erde zu wirken und gerne bei den Menschen zu leben, ist der Weisheit Sinnen. Diese Bibelstelle ist mir eine Kraft- und Motivations-Geschichte; dies in einer Zeit, da Glauben und Kirche umstritten und fragwürdig geworden sind; gerne kritisiert werden.

Das im Hebräischen ungewöhnliche Verb für «schaffen» in Vers 22 hat eine eigene Bedeutung. Es geht nicht um Veränderung von schon bestehendem, sondern um gänzlich neu schaffen im nicht innerirdischen Sinn. Dieses «schaffen» ist auf Beziehung fokussiert. Vor allen Geschöpfen wurde die Weisheit von Gott geboren und nicht aus Lehm geformt, wie Adam. Gott im Bild der Mutter gebiert ihre Tochter, die Weisheit. Und diese Tochter spielt vor ihrer Mutter und freut sich mit den Menschen zu sein. Welch eine positive und erleichternde Botschaft für uns Menschen im 21. Jahrhundert. Der Weisheit Leichtigkeit und Verspieltheit wünsche ich mir, wünsche ich uns von ganzem Herzen in unserem Leben. Mit Tochter Weisheit können wir behände und beschwingt vorwärtsgehen.

In meinen Ohren erklingt eine weitere Variante des dreifachen Liebesgebotes: Gottesliebe, Nächsten- wie Selbstliebe als Freude an Gott, Freude an den Menschen wie auch Freude an sich selbst. Und ja, wir dürfen ein Evangelium, ein Euangelion, eine frohe Botschaft verkünden, leben und bezeugen. Die verspielte Weisheit kann uns dazu animieren, spielend, tanzend, froh die Freude zu entdecken, zu leben und zu verkünden. Dies im Angesicht Gottes.

Ich war in den letzten Ferien mit einem solchen verspielten Menschen in der Schlucht der Areuse unterwegs. Behände und verspielt tanzte und sprang sie leicht durch den Regen die dunkle Schlucht hinunter. Ja, man hätte unter dem Regenschirm auch eine finstere Mine machen oder sogar zu Hause am Trockenen bleiben können. Oder besser: Singin‘ in the Rain – Wir singen im Regen, wie es das romantische Musical aus den fünfziger Jahren leicht rüberbringt und meine Jugend aufgeheitert hat. What a Glorius Feeling – welch ein grossartiges Gefühl ist der Untertitel!

Doch auch der erdgetränkte Fluss der Areuse kam mir sehr spielerisch und kreativ entgegen. Gewaltig und fein hat sich die Areuse den Weg durch die Schlucht gebahnt. Da wieder ein Wasserfall, dann zwängt sie sich eng durch den Felsen, später wieder ein recht ruhiges breites Fliessen. Gewaltig und behände. Ich wurde beim Wandern an Gottes Tochter «Weisheit» im Buch der Sprüche erinnert. Staunen und Bewegung war meine Antwort auf die Erfahrung. Franz von Assisi sing im Sonnengesang von Schwester Wasser eine Erfahrung, die ich am Neuenburgersee mit ihm teilen konnte: Gelobt bist du, mein Gott, durch Schwester Wasser, gar nützlich ist sie und demütig und kostbar und rein.

Das heutige Tages-Evangelium ist ernster und tröstend: «13 Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in der ganzen Wahrheit leiten.» (Joh 16,13) Gut, es ist hier nicht die verspielte und glückliche Weisheit, sondern der Geist der Wahrheit, der zu uns Menschen kommt. Aber auch er hat eine mutmachende Verheissung: «Der Geist der Wahrheit wird euch in der ganzen Wahrheit leiten.» Wir dürfen im Vertrauen leben, wir dürfen Staunen und froh sein. Und heute begleitet mich besonders das Buch der Sprüche in diesen Sonntag: «8,30b Ich war Gottes Freude Tag für Tag / und spielte vor ihm allezeit.31 Ich spielte auf seinem Erdenrund / und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein.»