Erfahrung: Sehen und Glauben

Osterpredigt vom 20. April 2025; 1 Kor 5,b-8; Joh 20,1-9(-18)

Halleluja, liebe Menschen Sehen und Glauben
Halleluja, Gott, ja, Leben ist anders.
Halleluja, Maria von Mágdala sieht keinen Stein vor dem Grab.
Halleluja, der andere Jünger sieht Leinenbinden und keinen Leichnam im Grab.
Halleluja, Simon Petrus sieht an besonderer Stelle das Schweisstuch zusammengebunden liegen.
Halleluja, der andere Jünger sah und glaubte 2X. Halleluja.
Nein, der andere Jünger weiss nicht, er glaubt.
Nein, die beiden Jünger gehen mal nach Hause. Maria bleibt.
«9 Denn sie hatten noch nicht die Schrift verstanden, dass er von den Toten auferstehen müsse.» (Joh 20)
Halleluja, Maria von Mágdala weint und sieht Engel, sieht Jesus.
Halleluja, Gott, ja, Leben ist anders. Jesus lebt. Halleluja.
Und darin liegt die Herausforderung und das Staunen von Ostern. Der Rahmen des Normalen, des Alltäglichen darf anders gesehen werden. Der Tod ist kein Ende, unsere Realität ist nicht begrenzt. Der Tote lebt. Vielleicht braucht es Schweigen, Gefühle, einen neuen Zugang zur Wirklichkeit. Vielleicht ein Stammeln und Staunen. Ein neuer, anderer Zugang zum Leben, zum Sterben und dann anders, neu Leben, Sehen und Glauben.
Liebe Menschen
Sehen und Glauben. Eine wunderbare, berührende, froh-machende Geschichte aus dem Neuen Testament. Meine Worte sind begrenzt, die Erfahrungen von Maria, Petrus und dem anderen Jünger entgrenzen meinen Vorstellungshintergrund und es bleiben auch mir, Sehen und Glauben. Halleluja, Jesus lebt.
Vor drei Wochen war ich am Vorderrhein am Wandern. Und da stand ich plötzlich vor einer Eselherde und ich staunte. Wir sind hier doch nicht in Italien? Die Esel kamen neugierig auf mich zu und ich schloss sie sofort in mein Herz. Ich sah und glaubte einen ganz besonderen Moment zu erleben. Und ein wunderbares Foto ziert seither meinen Schreibtisch / Desktop – es erinnert mich an einen eigenartigen und besonderen Moment. Eine einzigartige Begegnung mit Eseln. Erklären kann und will diese Erfahrung nicht. Ein Foto spricht für sich selbst, speichert Erinnerung. Es braucht keine Erklärungen oder Rechtfertigungen – wie es auch im Leben immer wieder Gewissheiten gibt, die nicht erklärt werden müssen und auch nicht erklärt werden können. Sehen und Glauben sind hier religiöse Erfahrungen. Sie gelten aus Erfahrung.
Und ähnlich geht es mir mit den Erfahrungen von Maria, Petrus und dem anderen Jünger. Sehen und Glauben. Punkt. Ja, Theolog:innen können noch einiges sagen dazu. Trotzdem, der Höhepunkt der Erzählung liegt im Sehen und Glauben des anderen Jüngers.
Und dieses Sehen und Glauben hat Folgen. Im ersten Korintherbrief (5,7) lesen wir: „Schafft den alten Sauerteig weg, damit ihr neuer Teig seid!» Eingefordert wird Aufrichtigkeit und Wahrheit statt Bosheit und Schlechtigkeit. Das «Sehen und Glauben» von Oster-Erfahrungen hat Folgen für das Leben, für den Alltag – trotz Stammeln und Staunen, Weinen und Vermissen, Nichtwissen.
Ostererfahrungen wollen nicht zerredet, sondern «gesehen und geglaubt» werden. Vielleicht können sie meine Erfahrung mit den Eseln nach-erahnen, vielleicht auch die Grab-Erfahrungen von Maria, von Petrus und vom anderen Jünger. Gewiss haben auch Sie, liebe Oster-Erfahrungs-Menschen, ähnliche Erlebnisse, Gewissheiten, Gipfelerlebnisse, die gesehen und geglaubt werden können, Sie begleiten und bewegen. So oder so bleiben wir bei der Aufrichtigkeit und der Wahrheit, der nachösterlichen Realität. Amen.

Im Dickicht des Lebens

Predigt zu den Seligpreisungen, Lk 6,17-26

Das heutige Tagesevangelium erinnert mich an Moses. Er stieg auf den Berg und brachte dem Volk die zehn Gebote Gottes; also eine Orientierungsrichtlinie für gutes und gottgefälliges Leben.
Auch Jesus war auf dem Berg in der Gottesbegegnung und kommt mit den zwölf Jüngern in die Ebene. Eine grosse Schar Jünger und viele Menschen versammelten sich um ihn. Jesus trifft sich also in den Niederungen des Alltags mit den Leuten, so würde ich meinen.
Moses brachte zwei Tafeln mit Geboten. Es sind dies Worte und ist zuerst einmal theorielastig. Den Lesenden mit den zehn Geboten gesagt, was sie zu tun werden und was sie zu unterlassen haben.
Jesus von Nazareth ist praktischer veranlagt. Er hat Kraft und bringt Heilung; Heilung von körperlichen und psychischen Krankheiten. Und darin sehe ich auch die erste Aufgabe in unserem Leben der Jesus-Nachfolge. Unsere Kräfte sollen wir für unsere Nächsten einzusetzen, damit sie körperlich und psychisch heil werden, oder zumindest in ihrem Leiden begleitet werden und einigermassen gut leben können. Das gilt für die vielen Menschen aus ganz Judäa und Jerusalem, dem Küstengebiet von Tyrus und Sidon. Auch Schwyz.
Uns für die vielen Menschen in Schwyz und Umgebung heilsam einzusetzen. Darin sehe ich unseren Auftrag als Jünger und Jüngerinnen. Als Ortskirche sind wir hier engagiert. Ich möchte hier primär einmal an die Kirso, die Kirchliche Sozialberatung Innerschwyz erinnern. «Die KIRSO ist eine professionelle Anlauf- und Beratungsstelle für Personen aus der Region Innerschwyz. Menschen in schwierigen Lebenslagen finden hier Beratung, Unterstützung und Begleitung, unabhängig von Religion und ethnischer Zugehörigkeit.» kann man auf der Homepage www.kirso.ch lesen. Und ich weiss, Franz Schuler und Judith Rüegg leisten gute und verantwortungsvolle Arbeit.
Die Antonius-Gelder, die dem Kapuzinerkloster abgegeben werden, gehen an die Kirso, für die Menschen in schwierigen Lebenslagen. Auch unterstützt das Kloster die Arbeitsstelle finanziell und ideell. Bald ist die GV des Vereins «Diakonie Innerschwyz» und ich bin gespannt, wie die soziale Situation in der Innerschwyz aussieht.
Doch Jesus geht noch einen Schritt weiter. Er wendet sich im Lukasevangelium in vier Seligpreisungen und vier Wehe-Rufen an seine Jünger und Jüngerinnen. Seligpreisungen: armutsbetroffen und hungernd bin ich nicht, selten weinend und auch nicht gehasst. Gut, manchmal ist es nicht nur einfach, römisch-katholisch zu sein. Menschen wenden sich ab von der Kirche, die Austrittszahlen sind hoch. Doch haben wir als Kirche, als Jünger und Jüngerinnen in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart einige Fehler gemacht. Da habe ich mich, wir uns als (römisch-katholische) Kirche zu verbessern und allen Menschen Kraft der Heilung zu werden.
Die Weh-Rufe decken wohl eher meinen heutigen Alltag ab. Ja, ich bin reich – gut nicht steinreich – ; ich bin satt – und manchmal übersatt. Nein, ich habe nicht den ganzen Tag zu lachen, auch wenn ich mich als glücklichen Menschen erfahre. Ab und zu darf ich auch ein Lob ernten und das macht mir Freude. Die Option für die Armen ist nicht unbedingt eine Option für Adrian. Nun, ich hoffe nicht gänzlich auf der Strecke zu bleiben.
Jesus macht mich also mit seinen Seligpreisungen und Wehrufen betroffen. Da kann ich mich gewiss nicht gemütlich zurücklehnen und alles ist gut. Ich sehe sie eher als eine Herausforderung, meine Kräfte wahrzunehmen, heilsam einzusetzen und mich aber als Christ immer wieder kritisch zu orientieren und zu hinterfragen:
Bin ich auch für alle Menschen heilsam, körperlich und psychisch?
Bin ich mir bewusst, dass Jesus mit den Seligpreisungen und Weh-Rufen die Welt auf den Kopf stellt. Nicht die Reichen und Satten, die Menschen auf der Sonnenseite und die umgarnten Grossen bekommen seine Aufmerksamkeit und sein Lob. Jesus stellt für uns Jünger und Jüngerinnen Menschen am Rand ins Zentrum. Und warum das? Das Reich Gottes kennt andere Massstäbe als Kapuziner zuerst oder Switzerland first oder Geld regiert die Welt oder der Mensch ist des Menschen Wolf. Nein, heilsam und solidarisch werden wir heute und in Zukunft ins Reich Gottes einziehen – und das wird unsere Freude sein. Die Güte, der Erfolg einer Gemeinschaft, einer Gesellschaft zeigt sich im Umgang mit den Armen, Hungrigen, Traurigen und den Menschen am Rand. Amen.

Indonesien

Edito zu ITE 2024/4 Indonesien – Ein franziskanischer Rückblick

Als mir vor dreissig Jahren Br. Adjut Mathis (2023 gestorben) erstmals von seiner indonesischen Pfarrei und den vielen Gläubigen erzählte, da staunte ich. Vielleicht zwei Mal im Jahr konnte er die vielen Dörfer seiner Pfarrei besuchen. Und dazu war er stets weite Strecken auf dem Weg. Berühmt ist eine Foto des Missionars: Adjut sitzt lässig auf einem Töff, am Rücken trägt er eine Holzbränte und daran ist ein Velo festgezurrt. Solange die Strassen es erlaubten, fuhr Adjut mit dem Töff. Dann ging es zu Fuss oder mit dem Velo weiter.

Ähnliches höre ich im Moment von Br. Jakob Willi, der heute mit mir im Kloster Schwyz lebt. Sein Hauptverkehrsmittel war in Indonesien das Schiff. 2005 gehörten 226 Dörfer zu seiner Pfarrei. Sowohl bei Br. Adjut als auch bei Br. Jakob waren einheimische Katecheten, die vor Ort lebten und wirkten von sehr grosser Bedeutung.

Solche Seelsorge-Situationen scheinen eine Wirklichkeit für die Zukunft in Europa zu werden. In www.katholisch.de war am 6. Mai 2024 der Artikel «Anonym, aber notwendig: Über Sinn und Unsinn von Grosspfarreien» publiziert. Im Bistum Freiburg (DE) arbeitet man an einer Pfarreienreform, «die die Zahl der Einheiten dramatisch verringern soll: von 1000 Einzelpfarreien in 200 Seelsorgeeinheiten auf nur noch 36 Pfarreien ab 2026 – mit zum Teil über 100’000 Katholiken pro Pfarrei».

Ähnliche Fragen beschäftigen die Diözesen und die Landeskirchen in der Schweiz. Es fehlen Theologen und Theologinnen sowie Priester für die Seelsorge. Als Lösung erhofft man sich viele engagierte Freiwillige, die die Kirche in die Zukunft tragen. Vielleicht hilft uns der Blick nach Indonesien, Lösungen für schweizerische Pfarreien und Kirchenprobleme zu finden?

Als ich Br. Jakob nach seinen positiven Missionserfahrungen in Indonesien fragte, meinte er schmunzelnd, dass einer seiner grössten Erfolge als Missionar der Druck von Kirchengesangbüchern war. Viele wollten ein solches Buch – selbst wenn sie nicht lesen konnten – ergänzte er lachend. Überraschende und kreative Sichtweisen wünsche ich uns mit Blick auf die indonesische Kirche in dieser ITE-Ausgabe und dann eben solche Lösungen für die Schweiz.

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Früchte der Nächstenliebe

Predigt vom 28. April 2024; Apg 9,26-31; Joh 15,1-8

Das Tagesevangelium mit Weinstock, Winzer und Reben oder eben Jesus, Vater und Menschen, ist eine wunderbare Meditation zu den Beziehungen von uns Menschen mit Jesus und seinem, unserem Vater. Dieses Nachdenken zielt auf unser praktisches und konkretes Leben ab: «Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger und Jüngerinnen werdet.» (Joh 15,8)

Dieses Fruchtbringen nimmt die heutige Lesung, die Apostelgeschichte, konkret auf. Damit möchte ich mich in dieser Predigt auseinandersetzen. Saulus, Jünger, Barnabas, Apostel, Hellenisten, Brüder und die Kirche in ganz Judäa, Galiläa und Samaria werden im Text der Apostelgeschichte genannt. Thema ist die Fruchtbarkeit eines Saulus, die verschiedentlich ausgebremst wird. Zuerst wird Saulus von den Jüngern an seinem Handeln gehindert. Die Jünger fürchten sich vor Saulus, der sie ja noch vor Kurzem verfolgt hat. Auch wissen sie gut um den nicht gerade zimperlichen und konfliktfreudigen Charakter eines Saulus.

Auch in unserem Leben oder im Leben anderer kann die Biografie und der Charakter ein Hindernis fürs Fruchtbarwerden sein. Manchmal wird gerne von Glaubwürdigkeit und Authentizität gesprochen. Sowohl Kirchen wie auch einzelne Christen haben im Lauf der Geschichte und besonders in den letzten Jahren viel an Glaubwürdigkeit verloren. Kreuzzüge und Missbrauch sind da die grellsten Stichworte dazu. Doch gäbe es noch viele andere Versagen kirchlicher Menschen aufzuzählen. Menschen erzählen Erfahrungen von gewalttätigen Gottesbildern und unethischem Verhalten kirchlicher Amtsträger und Amtsträgerinnen. Vor allem ältere Menschen haben manchmal in der Jugend schlechte und unfaire Erfahrungen mit Pfarrern oder Katechetinnen gemacht.

Interessanterweise kann in der Apostelgeschichte Saulus seinen Wandel nicht selbst glaubhaft machen. Ein anderer, Barnabas, macht sich auf, sieht sich Saulus und sein neues, reformiertes Selbstverständnis genauer an und kann, nachdem er sich selbst überzeugt hat, Saulus zu den Apostel führen und diesen die Angst nehmen. Das Zeugnis des Barnabas kann Saulus den Aposteln glaubwürdig machen. Ich denke, dass das solches Zeugnis auch unseren Alltag sehr prägt. Menschen können uns schlechtreden wie auch fördern. Auch wir können über Menschen negativ oder positiv sprechen.

Für die Glaubwürdigkeit des Zeugen oder Förderers muss das Reden der Wahrheit und der Realität entsprechen. Schönreden kann nicht die Antwort sein. Informationen müssen wahr sein. Tu Gutes und dann sprich davon.

In den Medien spricht man oft vom wohlwollenden Blick auf die Fakten, der zusätzlich gefordert ist. Als ich im Linthgebiet bei der Tageszeitung gearbeitet habe, da sagten die Veranstalter oft: «Wir begrüssen auch die Presse und danken für eine wohlwollende Berichterstattung.» Barnabas sagt den Aposteln nicht einfach, seid nett mit Saulus, sondern er kann von eigenen Erfahrungen mit Saulus erzählen und so die Apostel vom glaubwürdigen Lebenswandel des Saulus überzeugen.

Was bedeutet das heute für die Kirchen und Christen, Christinnen? Interessanterweise zeigen viele Untersuchungen, dass nicht Liturgie oder Dogmen die Lösung für die heutige Kirchenkrise sind. Menschen schauen genau, wie Christen und Christinnen sich gegenüber Armen und Randständigen, alten und behinderten Menschen verhalten. Kirchen, Christen und Christinnen werden heute glaubwürdig durch ihre soziale Aufgeschlossenheit und Solidarität.

Wenn ich den Seitenblick auf Saulus wage, dann lese ich in der Apostelgeschichte, dass Saulus freimütig im Namen des Herrn auftrat und Streitgespräche führte. Nein, Christen und Christinnen sollen nicht unscheinbar werden, sie dürfen für ihre gesunden Werte einstehen. Erst dann werden sie in ihrem Glauben gefestigt und können in Frieden leben und Früchte bringen. Und vielleicht ist das auch ein überzeugendes Verhalten gegen die gegenwärtige Austrittswelle von enttäuschten Kirchenmitgliedern? Denn sie fragen ja oft: «Wieso soll ich in der Kirche bleiben?» Christen und Christinnen brauchen ehrliche und sichtbare Antworten auf Fragen und Probleme unserer Zeit.

In der Apostelgeschichte lesen wir: «Die Kirche in ganz Judäa, Galiläa und Samárien hatte nun Frieden; sie wurde gefestigt und lebte in der Furcht des Herrn. Und sie wuchs durch die Hilfe des Heiligen Geistes.» (Apg 9,31) Das wünsche ich auch uns, der Schwyzer, der Helvetischen Kirche. Und eben, wie sagt Jesus : «Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger und Jüngerinnen werdet.» (Joh 15,8) Amen.