Good News aus Afrika

Predigt Neujahr 2023; Gal 4,4-7; Lk 2,16-21

«Die Zeit ist erfüllt», haben wir in der Lesung gehört. Auch heute noch? Paulus schreibt: «Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, …, damit wir die Kindschaft empfingen.» Gal 4,4. Dabei waren es auch vor 2000 Jahre keine rosigen Zeiten. Die Römer waren teilweise brutale Zwingherren der Israeliten und vieler anderer Völker, Zöllner nahmen einem das Geld ab und die ersten Christusgläubigen hatten Konflikte mit den Juden. Ist das eine erfüllte Zeit? Nun ich hätte andere Vorstellungen von «erfüllter Zeit».

Der Galaterbrief wurde um 55 nach Christus geschrieben. Die Christen waren damals noch eine innerjüdische Splitter-Gruppe, Sekte, wurden aber langsam aus dem offiziellen Judentum herausgedrängt und es bildete sich eine eigene Religion, das Christentum. Es ist dies der Übergang von den Judenchristen zu den Heidenchristen. Für die meisten Menschen war die Zeit damals geprägt von Not und Leid, von Sorgen und Ängsten. «Fülle der Zeit» meint also eher voll von Not als die gute, perfekte Zeit. In Mundart könnte man sagen: «Da isch jeze gnue Höi dunge, jetzt muess öpis gaa!» Das Mass ist erreicht, ist voll. Was tut der Schöpfer und Lenker der Welt?

Auch heute ist es unruhig wie vor 2000 Jahren; nach Corona-Pandemie, mit mehreren internationalen Konflikten, die uns bedrohen, Schreckensmeldungen von möglichen Energiemangellagen und anderem, selbst in der Schweiz. Es muss was gehen. Wo bleibt da Gott, und sein Wirken, seine schöpferische Liebe?

Gott hat vor 2000 Jahren schon anders gehandelt, als erwartet. Und vielleicht tut er das heute noch, aber eben anders, unerwartet, kreativ und auch in unseren Herzen. Das heutige Tagesevangelium erzählt von Maria und Josef sowie dem Kind in der Krippe. Den Hirten wurde verheissen, dass da der Frieden für die Menschen in der Krippe liegt. Gott sandte seinen Sohn sagt Paulus, der Apostel betont das Menschwerden des Gottes-Sohnes.

Dieser Sohn Gottes wird später seine Jünger das «Vater unser» lernen. Gott ist uns Abba. Franz von Assisi bezieht Gottes Vater-Sein auf alle Menschen, und sogar auf alle Geschöpfe. Papst Franziskus hat diesen Gedanken in den letzten Jahren aufgenommen und vor allem im Austausch mit muslimischen Menschen festgehalten, dass wir Menschen alle Geschwister sind. Denn Gott ist allen Menschen Vater und Mutter – und in Jesus von Nazareth sogar auch Bruder geworden.

Schon in der Fülle der Zeiten vor 2000 Jahren hat Gott nicht mit Gewalt, Macht und Waffen, oder durch erfolgreiche Menschen und Kriegsherren ins Geschehen der Welt eingegriffen. Nein, Gott wirkt im Alltag von zwei Heimatlosen Menschen, Maria und Josef, und im Alltag von einfachen und armen Hirten, draussen auf dem Feld. Nicht an Machtzentralen, politischer oder religiöser Natur. Und hoch theologisch folgert Paulus daraus: «Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater! So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe durch Gott.» (Gal 4,6-7)

Vielleicht ist es gut, heute, am ersten Januar ganz besonders, wie auch im ganzen 2023 immer wieder in unser Herz zu horchen. Vielleicht hören wir da «Abba, lieber Vater, liebe Mutter» und nehmen dankbar wahr, wie Gott in uns und um uns wirkt. Und vielleicht dürfen wir den Blick vom allzu Negativen lösen und mit offenen Augen auch das Gute sehen, das Gottes Geist in unserem Leben wie auch in der Welt wirkt. Es gibt viele Menschen, die mir Mut machen! Und dazu braucht es nicht primär den Blick auf die Mächtigen und Grossen, sondern eben aufs entstehende Leben, auf das Kleine, auf das Werden, zärtlich und sanft. Im Beginn liegt eine Kraft. Aber auch in der Treue zum Leben.

Es ist gut, wenn die Medien uns immer wieder den kritischen Blick auf Ungerechtigkeit und Not ermöglichen. Quasi den Blick auf die Fülle der Zeit, die Probleme und offenen Fragen unserer Tage. Doch dürfen wir auch im 2023 nicht den Blick des Herzens verlieren. «Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.» (Lk 2,19) Den Blick aufs entstehende Leben, auf Gottes Reich, das wächst, auf alles Gute, dass das Leben uns bereithält.

Davon durfte ich schon im 2022 einiges staunend empfangen, wenn ich mit dem Herzen dankbar aufs letzte Jahr sehe. Und da gibt es Wunderbares auch im Grossen, Politischen und Religiösen. Deshalb wünsche ich uns auch im 2023 den offenen und staunenden Blick auf all das Gute und Schöne, das Gott uns und unseren Geschwistern immer wieder neu schenkt.

In einem Podcast mit dem Namen BeziehungsKosmos wurde geraten, alleine oder in der Familie, abends zusammenzusitzen und sich zehn schöne Momente des Tages in Erinnerung zu rufen. Das hilft in der Fülle der Zeiten aufs Herz zu hören und dankbar durchs Jahr zu gehen. Daraus kann eine Schule des Staunens und des Dankens entstehen. Und da gibt es nicht nur im Kleinen, sondern auch im Grossen immer wieder für Versöhnung, Verbesserung und Frieden zu danken.

Und so staunte ich gestern Silvester, dass unterschiedliche News Apps auch einen positiven Rückblick anbieteten. Am meisten Freude hatte ich an Good News aus Afrika der FAZ zum Thema

Gesundheit in Afrika

Die Menschen in Afrika bleiben viel länger gesund als früher. Die Zahl der bei der Geburt zu erwartenden gesunden Lebensjahre liegt nun bei 56 Jahren, verglichen mit 46 Jahren um die Jahrtausendwende, ermittelte die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Wesentlicher Grund dafür sei der verbesserte Zugang zu medizinischer Grundversorgung.

Ein gutes 2023 Ihnen sowie offene Augen und aufmerksame Ohren für all die Good News im Neuen Jahr. Amen.

„Die“ Zeitenwende war anders

Predigt vom 25. Dezember 2022; Lk 2,15-20

Der Begriff „Zeitenwende“ ist von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres 2022 gekürt worden. Der Begriff steht im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und wurde unter anderem von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgegriffen und geprägt. Die Wirtschafts- und Energiepolitik habe sich völlig neu ausrichten müssen, erklärte die Gesellschaft für deutsche Sprache. Auch Verhältnisse zu anderen internationalen Partnern wie China seien kritisch beleuchtet worden. Zudem habe bei vielen Menschen eine emotionale Wende stattgefunden. So vermeldete die deutsche Tagesschau am neunten Dezember.

Zeitenwende. Das kommt mir bekannt vor. Doch würde ich vor allem die Geburt von Jesus von Nazareth als eine solche Zeitenwende wahrnehmen. Was ist eine Zeitenwende? Im digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache finde ich drei Hinweise zum Begriff:  

  1. Wende, Umschwung im historischen Geschehen – Beispiel: Vom Fax zum E-Mail
  2.  Zeitpunkt, an dem sich eine Wende, ein Umschwung im historischen Geschehen vollzieht – Einen Epochenwechsel also: Von der Moderne zur Postmoderne
  3.  [veraltend] Beginn der christlichen Zeitrechnung

Nun, mit dem Dritten bin ich nicht einverstanden. Wir zählen die Jahre immer noch ab der Geburt Jesu von Nazareth. Diese Geburt Jesu ist für mich als Christ die Zeitenwende. Gott hat ganz besonders und überraschend in unser Weltgeschehen eingegriffen und für und Christ*innen ist das bis heute prägend, einzig und eine frohe Botschaft. Wir glauben nicht an Macht, an veraltete Herodes-Strukturen, an Krieger und auch nicht an die Geschichte der Sieger. Ganz klein und schutzlos wurde vor gut 2000 Jahren die göttliche Zeitenwende eingeleitet. Staunen müssen Menschen können, wenn sie diese christliche Veränderung erahnen und verstehen wollen. Dem Schutzlosen und Abhängigen Raum geben. Oder wie heisst es doch so schön: Erfolg ist keine Eigenschaft Gottes. Aber Liebe und Leben sind Gott und kommen von Gott.

Gott wird Baby und Engel erzählen den Hirten davon, hörten wir im Evangelium. Draussen auf dem Feld. Draussen im Stall. In der Kälte – und da denke ich an die Ukraine und all die Menschen, die bei uns weniger heizen und so der Kälte und dem Krieg trotzen, aber das Leben wollen.

2022 ist eine Zeitenwende und ich hoffe, dass sie im 2023 eine Wende zum Guten, zum Leben wird. Doch, die Zeitenwende – und gar nicht veraltend – ist für mich das Geschehen in und um die Krippe. Da staune ich jedes Jahr neu und danke Gott für seine Liebe, seine Tiefe, sein Leben, seine Freude und sein Dasein. Und darum wünsche ich dieses Jahr auch Ihnen, liebe Mitmenschen, frohe Weihnachten, Hoffnung und immer wieder ein staunendes Herz für Gottes Wirken in unserer Welt, in unserem Leben.

Weihnachten lebt

Urner Wochenblatt | Samstag, 24. Dezember 2022

Weihnachten ist ein christliches Fest, aber nicht nur. Es lebt von Gegensätzen wie Betriebsamkeit und Stille sowie Dunkel und Licht. Das ist gut so und gehört sich so. Dieses dynamische Hin-und-her Schwingen prägen des Menschen Leben und Menschwerden, auch Gottes Menschwerdung. Frohe Weihnachten!

Es gab ein Jahr, da genoss ich scheinbar bis zum 20. Dezember einen besinnlichen Advent. Ich begab mich in keine Läden, an keine Weihnachtsmärkte und besuchte nur wenige und stille Liturgien. Adventliche Texte begleiteten mich. Trotzdem, es wollte gefühlsmässig nicht Advent sein und schon gar nicht Weihnachten werden. Es fehlte der vorweihnächtliche Trubel, das pulsierende Leben. Darum machte ich an jenem 20. Dezember einen Strategiewechsel.

Frieden feiern – Gerechtigkeit

Grundsatzartikel in ITE 2022/5

Franziskanisches Handeln kennt drei Dimensionen: Einerseits gut hinschauen und dann mit Elan handeln. Nötig dafür sind spirituelle Grundlagen, die dem Handeln Orientierung geben. Dieser Artikel vermittelt auf erzählerische Weise franziskanische Grundlagen fürs konkrete Handeln, das in den nachfolgenden Artikeln im Zentrum steht.

Kalt ist es draussen, es liegt matschiger Schnee auf dem Boden. Ein hellgelb erleuchteter Weg führt gerade zum nahen Hotel – und ein steiler dunkler Weg, mit Kerzen ausgeleuchtet, hinunter in den Ranft. Eine Gruppe Menschen macht sich auf den Weg in die tiefe Schlucht. In der Kapelle unten bei Bruder Klaus wollen sie für den Frieden beten. Jeder Schritt muss bedächtig gesetzt werden, es ist rutschig. Dieser Weg ist gelebte Friedensmeditation: Zu rasch entgleitet manchmal der Fuss, der Friede und wir Menschen haben das Nachsehen.

Auf dem dunklen Weg in die Schlucht hinunter halten die Menschen immer wieder an und gedenken schwieriger Situationen, Menschen, denen das weihnächtliche Licht zu wünschen ist. Unten angekommen, wendet man sich mit der Bitte um Frieden an Gott und feiert Gottes Friedensvisionen, wie sie beispielsweise im Psalm 85 aufleuchten: Es küssen sich Gerechtigkeit und Friede. Vielleicht trägt man konkrete Erfahrungen mit sich? Oft bleiben diese Visionen jedoch ein Wunsch für die Zukunft – und da gibt es noch Einiges zu tun! Auch für Gott. Darum: Komm Heiliger Geist …

Eine Friedensgeschichte

Diese Geschichte möchte ich frei nacherzählen:

Franz von Assisi keucht den Bergweg hoch. Durch die wunderbaren Kastanienwälder erreicht er das kleine Klösterlein Montecasale. Ruhig und beschaulich ist die Landschaft. Ideal für das Leben in Abgeschiedenheit und Gebet. Doch wehe dem Ankömmling. An dem abgelegenen Ort erwarten Brüder Franziskus in grosser Aufregung! «Franz, das kannst du dir nicht vorstellen», zischt ein erster Bruder, «da waren wir am Montag in der nahen Stadt arbeiten und trugen Brot und Früchte in unsere Einsiedelei hinauf. Am Mittwoch, während des Morgengebets, haben uns Räuber die ganze Vorratskammer geplündert und wir starteten den Tag mit Hunger.» «Lieber Franziskus», bittet ein anderer, «ich will weg von hier. In der Stadt unten sagen sich die Bürger, wir seien völlig verfressen. Seit Wochen bestehlen uns die Räuber. Wir müssen stets von neuem zu den Menschen gehen und um Nachschub fragen. Das ist peinlich, das halte ich nicht aus!» Kaum hat der zweite geendet, findet der dritte Bruder: «Weg müssen sie, diese Diebe. Einfach weg. Ich bin hierhergekommen, meinen Frieden zu finden und in Stille bei Gott zu sein. Aber das ist Schnee von gestern.»

Franziskus hatte sich seinen Aufenthalt in der Einsiedelei etwas beschaulicher vorgestellt. Doch wird von ihm eine Antwort erwartet und er will diese auch geben. Seine Mitbrüder, aber auch die Brüder Räuber, tun ihm leid. Nach stillem Beten und Nachdenken ruft Franz seine Mitbrüder zu sich und rät ihnen zu folgendem Vorgehen: «Liebe Brüder, wenn ihr das nächste Mal von der Stadt in die Einsiedelei kommt, dann nehmt die Hälfte der Esswaren für euch. Mit der anderen Hälfte geht ihr in den Wald, breitet in der Lichtung oben die Gaben auf dem Boden sorgfältig aus, zieht euch zurück und ruft den Räubern: Liebe Leute, ein Geschenk für euch›. Ab dem dritten Mal bleibt ihr in der Nähe der Lichtung stehen, ab dem fünften Mal bedient ihr selber die Räuber. Und dann sehen wir weiter. Gebt mir Bescheid.»

Die Brüder schlucken schwer, als Franziskus aufbricht. Aber man kann ja einen Heiligen nicht um Hilfe fragen und dann nicht nach seinen Ratschlägen handeln. Und so tun die Brüder in den kommenden Wochen, wie Franz es ihnen geraten hat. Beim ersten Versuch zittern die Brüder wie Espenlaub, oder waren es vielleicht die Räuber, die innerlich verängstigt zittern? Je öfter man die Räuber trifft, desto mutiger und kecker wird das Auftreten der Brüder. Mit der Zeit kennt man sich und beginnt zu scherzen. Die Brüder realisierten: Die Räuber waren aus der Stadt vertrieben worden, geächtet und fanden im Wald wenig Essen und keine Arbeit. Sie lebten als Vertriebene und hinter jedem von ihnen verbarg sich eine leidvolle Lebensgeschichte.

Die Legende endet damit, dass einige Räuber menschenfreundliche Franziskaner wurden, die anderen anständige Bürger der Stadt. Stadt und Umgebung erlebten wirtschaftlichen Aufschwung und niemand musste mehr Angst haben, in den Wald zu gehen. Selbst kleine Kinder konnten im Wald Pilze sammeln gehen und riefen sie nach den Räubern, kamen Brüder.

Bilder und Deutungen

Brasilianische Mitbrüder deuten diese Franziskuslegende wie folgt: Menschen, die das Nötige fürs Leben haben, müssen nicht gefürchtet werden. Vor allem gerecht integriert müssen sie sein. Wie Jesus oder Franziskus sollen die Christinnen und Christen sich besonders für Aussenseiter einsetzen und so dürfen sie manchmal die Erfahrung von Montecasale machen, dass Räuber gar nicht zu fürchten sind. Im Gegenteil. Gottes Geist wirkt auch in ihnen Grosses.

Ein anderes Bild des Franz von Assisi, das auch Papst Franziskus aufgegriffen hat, ist jenes der Geschwisterlichkeit: Christen und Christinnen, ja alle Menschen, haben einen gemeinsamen Vater, eine gemeinsame Mutter im Himmel. Das macht Menschen unter sich, aber auch mit Tieren und Pflanzen zu Brüdern und Schwestern, zu Geschwistern. Und das verbindet familiär. Stimmt, auch Geschwister gehen nicht immer friedlich miteinander um. Aber die Vorstellung der Geschwisterlichkeit stellt uns auf die gleiche Stufe. Gut, auf Erden fehlt uns manchmal der Vater oder die Mutter, die die Gaben der Gerechtigkeit und des Versöhnens haben. Dann sollen die älteren und vor allem die weiseren Geschwister für Gerechtigkeit und Frieden sorgen.

Ausblick

Heute ist Gerechtigkeits- und Friedensarbeit komplex und anspruchsvoll. Diese ITE-Ausgabe erzählt von unterschiedlichen franziskanisch Engagierten. Der Schweizer Kapuziner Adrian Holderegger arbeitet bei der UNO als «Ambassador for Peace». «Franciscans International» engagiert sich seit mehr als dreissig Jahren als NGO bei den Vereinten Nationen. Unser Westschweizer Mitbruder und Missiologe Bernard Maillard erzählt von seinen Erfahrungen mit ACAT (Action Chrétienne pour l’Abolition de la Torture) in ausländischen Gefängnissen. Ach ja, kennen sie die «Roten Kapuziner» der Westschweiz? Beat Baumgartner weiss mehr …

Chestenenweid über Weggis

Waltdstätterweg, Etappe 7: Vorbei geht die Wanderung an Obstgärten bis Oberwilen und über die Molasse-Stufe mit Leitern, die früher nur hier die Landverbindung nach Weggis ermöglichten. Durch das Naturschutzgebiet Chestenenweid nach Hertenstein.

Marroni in der Zentralschweiz: Seit dem Mittelalter kultivieren die Menschen nördlich der Alpen die Edelkastanie. Die ersten urkundlichen Erwähnungen finden wir in der Zeit der jungen Eidgenossenschaft: 1340 in Schwyz; 1378 in Weggis und Walchwil. Chestene ist Mundart für Marroni.

Christkönigsfest

Predigt vom 20. November 2022; 2 Sam 5,1-3; Lk 23,35b-43

Liebe Untertanen, liebe Untertaninnen
Oder doch besser, helvetischer:
Liebe Eidgenossen, liebe Eidgenossinnen
Oder etwas theologischer, schweizerischer:
Liebe Bundesgenossen, liebe Bundesgenossinnen

Wissen Sie, welches die Hauptstadt der Schweiz ist? Bern? Achtung, mit dieser Antwort würden sie die Aufnahme-Prüfung für die Eidgenossenschaft nicht bestehen. Mit der Antwort «Bern» könnten Sie nicht Schweizer oder Schweizerin werden! Die Schweiz hat keine Hauptstadt! Bern ist unsere Bundesstadt. Diese Antwort wird bei der Einbürgerung erwartet.

Heute feiern wir Christkönigssonntag. Als Schweizer und Schweizerinnen wissen wir, dass es in Märchen Könige gibt. Das gehört in solchen Erzählungen irgendwie dazu. Aber für das englische Königshaus haben wir ein mildes Lächeln übrig. Netflix hat eine unterhaltsame Serie daraus gemacht. Selber König oder Königin sein wäre vielleicht lustig, aber Untertan oder Untertanin sein. Nein danke. Da spielen wir Eidgenossen und Eidgenossinnen nicht mit.

Papst Pius XI. hat nach dem ersten Weltkrieg, 1925, das Christkönigsfest eingeführt. Er fürchtete sich vor demokratisch geprägten Staaten. Die Zeit der Monarchien ging trotz diesem Fest zu Ende und selbst die Päpste sind heute keine adligen Monarchen mehr. Papst Franziskus betont Synoden, wie sie vor allem in der Lateinamerikanischen Theologie der letzten fünfzig Jahren wichtig und prägend geworden sind. Darum sind wir auf dem synodalen Weg.

Der jetzige Papst Franziskus war Vorsitzender der Reaktionskommission des wichtigen Dokuments der lateinamerikanischen Bischöfe (CELAM=Consejo episcopal latinoamericano) von 2007. Darin fliessen die wesentlichen Anliegen und Dynamiken der lateinamerikanischen Befreiungstheologie zusammen: Erneuerung aus dem Evangelium, Option für die Armen, Kirche der Partizipation, soziales Engagement, Gerechtigkeit für alle. Papst Franziskus hat lateinamerikanische Erfahrungen mit Synoden und Synodalität und will diese nun in der Weltkirche fruchtbar machen. Könige kommen da keine vor.

Aber wie steht es nun um Könige in der Bibel? Interessanterweise hat schon das Alte Testament ein gespaltenes Verhältnis zum Königtum. Denn – wie singen wir auch heute – König ist der Herr. Gott ist König und nicht Menschen. Und Gott, der König Israels, setzte Richter und Retter ein. Darum war beispielsweise Samuel ein charismatisch berufener Führer und wies das Königtum weit von sich. Samuel ist doch nicht Gott. Doch die Israeliten waren unglücklich. Alle Nachbar-Völker hatten Könige, nur Israel nicht. Und ein Gott im Himmel ist doch völlig uncool und so fern! Gott gab nach. Saul, David und Salomon wurden zu den grossen Königen Israels. Gott betont in der heutigen Lesung aus dem zweiten Buch Salomon, dass David dem Volk Israel ein Hirte sein soll. David wird durch einen Vertrag vor Gott als König zurückgebunden und in seiner Macht gemässigt.

Einen Schritt weiter geht das heutige Tagesevangelium. Über dem gekreuzigten Jesus von Nazareth steht: Das ist der König der Juden. Wie bitte? Nicht besser ein König der Christen, der Christinnen? Machtlos und dem Tode nahe hängt Jesus zur Schau gestellt, am Kreuz. König der Juden. Sein Reich ist nicht von dieser Welt oder zumindest anderer Art als wir uns dies vorstellen. Und trotzdem bleibt die Verheissung vom Reich Gottes. Dem Verbrecher sagt Jesus: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.

Liebe Schwestern, liebe Brüder

Wir wollen und können uns nicht auf ein Jenseits vertrösten. Leben tun wir hier auf Erden und hier tragen wir Verantwortung, für das Leben, für Menschen, für das Gemeinwohl, für Pflanzen und Tiere – das hat Gott uns aufgetragen.

Gemeinsam müssen wir handeln und positiv wirken, dem Leben dienen. Organisiert und wirkungsvoll. Dies auf vielen Ebenen. Die Rettung liegt nicht mehr in einzelnen Helden oder Königen oder Herrschern, sondern im Zusammenstehen, in Konferenzen, Konzilien, Synoden, im gemeinsam Wege suchen und finden. International gesehen scheint mir die Uno wichtig, im Moment der Weltklima-Gipfel, die G20 und andere Konferenzen und Organisationen. Auf die Schweiz bin ich stolz, doch auch hier gibt noch viel zu tun. Im Umweltschutz gilt die Schweiz plötzlich nicht mehr als Vorbild, sondern als internationaler Klima-Sünder. Und was wir als verantwortungsbewusste Christen und Christinnen in unserem Alltag zu tun haben, wissen wir gut.

Am Christkönigssonntag würde ich nicht an Begriffen oder Bildern festhalten. Diese sind auswechselbar, verändern im Laufe der Zeit oder prägen sich an unterschiedlichen Orten unterschiedlich aus. Wichtig scheint mir für uns Gläubige. Gott ist da, Gott wirkt, Gott hat uns Menschen eine besondere Verantwortung übergeben. Und diese fordert, belastet manchmal, ist nicht nur sun, fun and nothing to do. Im Gegenteil. Manchmal auch im Schweisse unseres Angesichts, im Klären von Konflikten wollen wir unsere Verantwortung wahrnehmen für unsere Welt, für Gottes Schöpfung. Und dies nicht als Einzelne, sondern als Geschwister gemeinsam auf dem Weg. Amen.

Ich habe den Lauf vollendet

Predigt vom 23. Oktober 2022, Weltmissionssonntag; 2 Tim 4,6-8; Lk 18,9-14

Liebe Mitfeiernde, vielleicht auch missionarische Menschen
«Die Zeit meines Aufbruchs ist nahe. Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue bewahrt.», sagt Paulus im 2. Brief an Timotheus. Da kann einer abschliessen und aufbrechen. Das macht mir Eindruck. Und zwar ist Paulus der Meinung, seine Aufgabe erfüllt zu haben. Das ist nicht Flucht oder Scheitern. Nein, Paulus hat Gottes Auftrag erfüllt. Er kann gehen. Ja sogar, Paulus hat seinen Auftrag hier auf Erden erfüllt und freut sich auf Gottes himmlisches Reich.

Als Kapuziner kenne ich auch mal die kleinen irdischen Aufbrüche. Ich war in Solothurn, Rapperswil, Luzern, Rom – doch diese Phasen sind vorbei. Jetzt bin ich hier in Schwyz und eines Tages wird auch das vorbei sein, spätestens dann, wenn auch ich mich ins himmlische Reich verabschiede.

Ich weiss, das ist oft leichter gesagt, denn überzeugend gelebt. Schon als einzelner ist das Weitergehen manchmal nicht ganz einfach. Doch für Institutionen scheint mir solches Abschiednehmen häufig noch schwieriger und komplexer zu sein. Die Jungen sollen doch übernehmen und weitertragen, heisst es gerne. Was ist aber, wenn diese Jungen nicht mehr vorhanden sind, wenn beispielsweise den Ordensgemeinschaften der Nachwuchs ausfällt? Oder wenn die Jungen mal einfach andere Wege gehen wollen, vielleicht sogar im Wandel der Zeiten andere Wege gehen müssen.

Letztes Jahr feierten wir Kapuziner 100 Jahre Mission in Tansania, dieses Jahr 100 Jahre Mission in den Seychellen und kommendes Jahr 100 Jahre Mission auf Madagaskar. Die Schweizer Kapuziner haben in den letzten Jahren viele Brüder in die Missionen geschickt. Doch heute gibt es keine jungen Schweizer Brüder mehr, die in Missionen gehen. Einige alte Missionare verbringen gut umsorgt ihren Lebensabend in den Ländern des Südens. Ob die Schweizer Provinz will oder nicht, sie muss loslassen – auch da wo die Missionen nicht nur von Erfolg gekrönt waren. Auf den Seychellen war es beispielsweise nicht möglich, eine einheimische Kapuzinerprovinz zu gründen. Man hat es zwar versucht, aber ohne Erfolg.

Können wir vertrauen, dass unsere Arbeit erfüllt ist? Paulus hat geschrieben: Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue bewahrt. Wir Kapuziner müssten heute auch sagen können: Wir Brüder haben den Menschen in Tansania, auf den Seychellen und in Madagaskar das Evangelium gebracht, unsere Arbeit getan und Gott die Treue bewahrt. Dieser Auftrag ist erfüllt.

Spannend finde ich, dass heute am Missionssonntag der Lesung von Paulus das Evangelium vom Pharisäer und vom Zöllner zur Seite gestellt wird. Lk 18,9-14. Stimmt, die Lesung könnte uns Brüder als Pharisäer dastehen lassen. Ist da denn wirklich alles gut gelaufen oder müssten wir Brüder wie der Zöllner uns an die Brust schlagen und beten: Gott sei mir Sünder gnädig; Gott sei uns Sünder gnädig. Ich weiss, es ist schöner, wie der Pharisäer zu reagieren, aber wohl ehrlicher differenziert und selbstkritisch hinzusehen. Denn da war nicht alles Gold und der Vorwurf des Kolonialismus ist leider nicht wegzuweisen. Schweizer Kapuziner waren oft die reichen Onkel und hatten ihre Boys, die für sie schufteten. Tansania stimmt an der UNO für Putin und nicht mit der Schweiz. Andererseits leben heute mehr Kapuzinerbrüder in Tansania als in der Schweiz und die Brüder aus Tansania gehen in andere Länder als Missionare Jesus Christus verkünden.

Und so ist zu hoffen, dass Jesus Christus auch zu uns Schweizer Brüder wie zum Zöllner sagt: Dieser ging gerechtfertigt nach Hause hinab. Also: Ihr ginget gerechtfertigt in die Schweiz zurück. Und schön wäre es, wenn Jesus Christus uns Brüdern zusätzlich auch sagen würde: Ja, ihr habt den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue bewahrt.

Liebe Mitfeiernde, die Missionen in Tansania, auf den Seychellen und in Madagaskar waren nicht nur eine Kapuzinerangelegenheit, sondern ebenso das Werk von Ihnen, Menschen die unsere Missionare unterstützt haben und heute die jungen Kirchen vor Ort noch immer mittragen. Als Redaktor unserer Missionszeitschrift ITE weiss ich um ihre Unterstützung und um ihren guten Kampf. Da sage ich «Vergelt’s Gott». Amen