Predigt Neujahr 2023; Gal 4,4-7; Lk 2,16-21
«Die Zeit
ist erfüllt», haben wir in der Lesung gehört. Auch heute noch? Paulus schreibt:
«Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, …, damit wir die
Kindschaft empfingen.» Gal 4,4. Dabei waren es auch vor 2000 Jahre keine
rosigen Zeiten. Die Römer waren teilweise brutale Zwingherren der Israeliten
und vieler anderer Völker, Zöllner nahmen einem das Geld ab und die ersten
Christusgläubigen hatten Konflikte mit den Juden. Ist das eine erfüllte Zeit?
Nun ich hätte andere Vorstellungen von «erfüllter Zeit».
Der
Galaterbrief wurde um 55 nach Christus geschrieben. Die Christen waren damals
noch eine innerjüdische Splitter-Gruppe, Sekte, wurden aber langsam aus dem
offiziellen Judentum herausgedrängt und es bildete sich eine eigene Religion,
das Christentum. Es ist dies der Übergang von den Judenchristen zu den
Heidenchristen. Für die meisten Menschen war die Zeit damals geprägt von Not
und Leid, von Sorgen und Ängsten. «Fülle der Zeit» meint also eher voll von Not
als die gute, perfekte Zeit. In Mundart könnte man sagen: «Da isch jeze gnue
Höi dunge, jetzt muess öpis gaa!» Das Mass ist erreicht, ist voll. Was tut der
Schöpfer und Lenker der Welt?
Auch heute
ist es unruhig wie vor 2000 Jahren; nach Corona-Pandemie, mit mehreren
internationalen Konflikten, die uns bedrohen, Schreckensmeldungen von möglichen
Energiemangellagen und anderem, selbst in der Schweiz. Es muss was gehen. Wo
bleibt da Gott, und sein Wirken, seine schöpferische Liebe?
Gott hat vor
2000 Jahren schon anders gehandelt, als erwartet. Und vielleicht tut er das
heute noch, aber eben anders, unerwartet, kreativ und auch in unseren Herzen.
Das heutige Tagesevangelium erzählt von Maria und Josef sowie dem Kind in der
Krippe. Den Hirten wurde verheissen, dass da der Frieden für die Menschen in
der Krippe liegt. Gott sandte seinen Sohn sagt Paulus, der Apostel betont das
Menschwerden des Gottes-Sohnes.
Dieser Sohn
Gottes wird später seine Jünger das «Vater unser» lernen. Gott ist uns Abba.
Franz von Assisi bezieht Gottes Vater-Sein auf alle Menschen, und sogar auf
alle Geschöpfe. Papst Franziskus hat diesen Gedanken in den letzten Jahren
aufgenommen und vor allem im Austausch mit muslimischen Menschen festgehalten,
dass wir Menschen alle Geschwister sind. Denn Gott ist allen Menschen Vater und
Mutter – und in Jesus von Nazareth sogar auch Bruder geworden.
Schon in der
Fülle der Zeiten vor 2000 Jahren hat Gott nicht mit Gewalt, Macht und Waffen,
oder durch erfolgreiche Menschen und Kriegsherren ins Geschehen der Welt
eingegriffen. Nein, Gott wirkt im Alltag von zwei Heimatlosen Menschen, Maria
und Josef, und im Alltag von einfachen und armen Hirten, draussen auf dem Feld.
Nicht an Machtzentralen, politischer oder religiöser Natur. Und hoch
theologisch folgert Paulus daraus: «Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den
Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater!
So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe
durch Gott.» (Gal 4,6-7)
Vielleicht
ist es gut, heute, am ersten Januar ganz besonders, wie auch im ganzen 2023
immer wieder in unser Herz zu horchen. Vielleicht hören wir da «Abba, lieber
Vater, liebe Mutter» und nehmen dankbar wahr, wie Gott in uns und um uns wirkt.
Und vielleicht dürfen wir den Blick vom allzu Negativen lösen und mit offenen
Augen auch das Gute sehen, das Gottes Geist in unserem Leben wie auch in der
Welt wirkt. Es gibt viele Menschen, die mir Mut machen! Und dazu braucht es nicht
primär den Blick auf die Mächtigen und Grossen, sondern eben aufs entstehende
Leben, auf das Kleine, auf das Werden, zärtlich und sanft. Im Beginn liegt eine
Kraft. Aber auch in der Treue zum Leben.
Es ist gut,
wenn die Medien uns immer wieder den kritischen Blick auf Ungerechtigkeit und
Not ermöglichen. Quasi den Blick auf die Fülle der Zeit, die Probleme und
offenen Fragen unserer Tage. Doch dürfen wir auch im 2023 nicht den Blick des
Herzens verlieren. «Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in
ihrem Herzen.» (Lk 2,19) Den Blick aufs entstehende Leben, auf Gottes Reich,
das wächst, auf alles Gute, dass das Leben uns bereithält.
Davon durfte
ich schon im 2022 einiges staunend empfangen, wenn ich mit dem Herzen dankbar
aufs letzte Jahr sehe. Und da gibt es Wunderbares auch im Grossen, Politischen
und Religiösen. Deshalb wünsche ich uns auch im 2023 den offenen und staunenden
Blick auf all das Gute und Schöne, das Gott uns und unseren Geschwistern immer
wieder neu schenkt.
In einem Podcast mit dem Namen BeziehungsKosmos wurde geraten, alleine oder in der Familie, abends zusammenzusitzen und sich zehn schöne Momente des Tages in Erinnerung zu rufen. Das hilft in der Fülle der Zeiten aufs Herz zu hören und dankbar durchs Jahr zu gehen. Daraus kann eine Schule des Staunens und des Dankens entstehen. Und da gibt es nicht nur im Kleinen, sondern auch im Grossen immer wieder für Versöhnung, Verbesserung und Frieden zu danken.
Und so staunte ich gestern Silvester, dass unterschiedliche News Apps auch einen positiven Rückblick anbieteten. Am meisten Freude hatte ich an Good News aus Afrika der FAZ zum Thema
Gesundheit in Afrika
Die Menschen in Afrika bleiben viel länger gesund als früher. Die Zahl der bei der Geburt zu erwartenden gesunden Lebensjahre liegt nun bei 56 Jahren, verglichen mit 46 Jahren um die Jahrtausendwende, ermittelte die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Wesentlicher Grund dafür sei der verbesserte Zugang zu medizinischer Grundversorgung.
Ein gutes 2023 Ihnen sowie offene Augen und aufmerksame Ohren für all die Good News im Neuen Jahr. Amen.