Predigt vom 20. November 2022; 2 Sam 5,1-3; Lk 23,35b-43
Liebe Untertanen, liebe Untertaninnen
Oder doch besser, helvetischer:
Liebe Eidgenossen, liebe Eidgenossinnen
Oder etwas theologischer, schweizerischer:
Liebe Bundesgenossen, liebe Bundesgenossinnen
Wissen Sie,
welches die Hauptstadt der Schweiz ist? Bern? Achtung, mit dieser Antwort
würden sie die Aufnahme-Prüfung für die Eidgenossenschaft nicht bestehen. Mit
der Antwort «Bern» könnten Sie nicht Schweizer oder Schweizerin werden! Die
Schweiz hat keine Hauptstadt! Bern ist unsere Bundesstadt. Diese Antwort wird
bei der Einbürgerung erwartet.
Heute feiern
wir Christkönigssonntag. Als Schweizer und Schweizerinnen wissen wir, dass es
in Märchen Könige gibt. Das gehört in solchen Erzählungen irgendwie dazu. Aber
für das englische Königshaus haben wir ein mildes Lächeln übrig. Netflix hat eine
unterhaltsame Serie daraus gemacht. Selber König oder Königin sein wäre
vielleicht lustig, aber Untertan oder Untertanin sein. Nein danke. Da spielen
wir Eidgenossen und Eidgenossinnen nicht mit.
Papst Pius
XI. hat nach dem ersten Weltkrieg, 1925, das Christkönigsfest eingeführt. Er
fürchtete sich vor demokratisch geprägten Staaten. Die Zeit der Monarchien ging
trotz diesem Fest zu Ende und selbst die Päpste sind heute keine adligen
Monarchen mehr. Papst Franziskus betont Synoden, wie sie vor allem in der
Lateinamerikanischen Theologie der letzten fünfzig Jahren wichtig und prägend
geworden sind. Darum sind wir auf dem synodalen Weg.
Der jetzige
Papst Franziskus war Vorsitzender der Reaktionskommission des wichtigen
Dokuments der lateinamerikanischen Bischöfe (CELAM=Consejo episcopal
latinoamericano) von 2007. Darin fliessen die wesentlichen Anliegen und
Dynamiken der lateinamerikanischen Befreiungstheologie zusammen: Erneuerung aus
dem Evangelium, Option für die Armen, Kirche der Partizipation, soziales
Engagement, Gerechtigkeit für alle. Papst Franziskus hat lateinamerikanische
Erfahrungen mit Synoden und Synodalität und will diese nun in der Weltkirche
fruchtbar machen. Könige kommen da keine vor.
Aber wie
steht es nun um Könige in der Bibel? Interessanterweise hat schon das Alte
Testament ein gespaltenes Verhältnis zum Königtum. Denn – wie singen wir auch
heute – König ist der Herr. Gott ist König und nicht Menschen. Und Gott, der
König Israels, setzte Richter und Retter ein. Darum war beispielsweise Samuel
ein charismatisch berufener Führer und wies das Königtum weit von sich. Samuel
ist doch nicht Gott. Doch die Israeliten waren unglücklich. Alle Nachbar-Völker
hatten Könige, nur Israel nicht. Und ein Gott im Himmel ist doch völlig uncool
und so fern! Gott gab nach. Saul, David und Salomon wurden zu den grossen
Königen Israels. Gott betont in der heutigen Lesung aus dem zweiten Buch
Salomon, dass David dem Volk Israel ein Hirte sein soll. David wird durch einen
Vertrag vor Gott als König zurückgebunden und in seiner Macht gemässigt.
Einen
Schritt weiter geht das heutige Tagesevangelium. Über dem gekreuzigten Jesus
von Nazareth steht: Das ist der König der Juden. Wie bitte? Nicht besser ein
König der Christen, der Christinnen? Machtlos und dem Tode nahe hängt Jesus zur
Schau gestellt, am Kreuz. König der Juden. Sein Reich ist nicht von dieser Welt
oder zumindest anderer Art als wir uns dies vorstellen. Und trotzdem bleibt die
Verheissung vom Reich Gottes. Dem Verbrecher sagt Jesus: Amen, ich sage dir:
Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.
Liebe
Schwestern, liebe Brüder
Wir wollen
und können uns nicht auf ein Jenseits vertrösten. Leben tun wir hier auf Erden
und hier tragen wir Verantwortung, für das Leben, für Menschen, für das
Gemeinwohl, für Pflanzen und Tiere – das hat Gott uns aufgetragen.
Gemeinsam
müssen wir handeln und positiv wirken, dem Leben dienen. Organisiert und
wirkungsvoll. Dies auf vielen Ebenen. Die Rettung liegt nicht mehr in einzelnen
Helden oder Königen oder Herrschern, sondern im Zusammenstehen, in Konferenzen,
Konzilien, Synoden, im gemeinsam Wege suchen und finden. International gesehen
scheint mir die Uno wichtig, im Moment der Weltklima-Gipfel, die G20 und andere
Konferenzen und Organisationen. Auf die Schweiz bin ich stolz, doch auch hier
gibt noch viel zu tun. Im Umweltschutz gilt die Schweiz plötzlich nicht mehr
als Vorbild, sondern als internationaler Klima-Sünder. Und was wir als
verantwortungsbewusste Christen und Christinnen in unserem Alltag zu tun haben,
wissen wir gut.
Am
Christkönigssonntag würde ich nicht an Begriffen oder Bildern festhalten. Diese
sind auswechselbar, verändern im Laufe der Zeit oder prägen sich an
unterschiedlichen Orten unterschiedlich aus. Wichtig scheint mir für uns
Gläubige. Gott ist da, Gott wirkt, Gott hat uns Menschen eine besondere
Verantwortung übergeben. Und diese fordert, belastet manchmal, ist nicht nur
sun, fun and nothing to do. Im Gegenteil. Manchmal auch im Schweisse unseres
Angesichts, im Klären von Konflikten wollen wir unsere Verantwortung wahrnehmen
für unsere Welt, für Gottes Schöpfung. Und dies nicht als Einzelne, sondern als
Geschwister gemeinsam auf dem Weg. Amen.